Poliscan Speed-Säule, Foto: GFU

In der Vergangenheit haben einige Amtsgerichte Betroffene freigesprochen, die einen Geschwindigkeitsverstoß begangen haben sollen, da die Funktionsweise der verwendeten Messgeräte (Poliscan Speed bzw. ESO ES 3.0) nicht hinreichend nachvollziehbar sei (zum Begriff des standardisierten Messverfahrens und Erklärung dieser Messverfahren folgen weitere Beiträge), z. B. das AG Aachen (Urteil vom 10.12.2012, Az. 444 OWi-606 Js 31/12-93/12), das AG Herford (Urteil vom 29.01.2013, Az. 11 OWi 502 Js 2650/12-982/12), das AG Neunkirchen (Az. 19 Owi 61 JS 1102/11, nicht veröffentlicht) oder das AG Tiergarten.

Das OLG Schleswig-Holstein – Beschluss vom 31.10.2013, Az. 1 Ss OWi 141/13 (172/13) – hatte über das Rechtsmittel gegen ein Urteil eines Amtsgerichts zu entscheiden, in dem gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 180,00 € verhängt und ein einmonatiges Fahrverbot ausgesprochen wurde. Die Geschwindigkeitsmessung, durch die eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h (außerhalb geschlossener Ortschaften) festgestellt wurde, erfolgte mit dem System Poliscan Speed.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner mit der allgemeinen Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde. Dabei wiederum rügt er im Wesentlichen, das PoliScan-speed-Verfahren könne nicht als standardisiertes Messverfahren angesehen werden, weil der Hersteller des Messgerätes nicht sämtliche Messdaten des Geräts zur Überprüfung zur Verfügung stelle; daher seien die Messergebnisse mangels Überprüfbarkeit im gerichtlichen Bußgeldverfahren unverwertbar.

Damit folgt die Rechtsbeschwerdebegründung einer zurzeit verbreitet zu beobachtenden „Welle“, die sich im Wesentlichen auf vereinzelte Entscheidungen einiger Amtsgerichte anderer Bundesländer stützt. Der vorliegende Fall nötigt daher zu einer grundsätzlichen Klarstellung unter dem Gesichtspunkt sowohl der Rechtsfortbildung als auch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die Entscheidung erfolgt daher nach Übertragung vom Einzelrichter durch den gesamten Senat (§ 80 a Abs. 3 OWiG). Sie ergeht in Übereinstimmung mit den Mitgliedern des (für den Bezirk des Landgerichts Kiel zuständigen) II. Senats für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts.

Das Gericht führt hierzu aus:

Nach Auffassung des Senats begründet mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise eines Geschwindigkeitsmessgerätes, das eine Bauartzulassung von der physikalisch-technischen Bundesanstalt erhalten hat, keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Der Senat betrachtet nach wie vor das PoliScan-speed-Verfahren als standardisiertes Messverfahren, das grundsätzlich zur Geschwindigkeitsmessung geeignet ist und hierfür eingesetzt werden darf. Dabei ist es weder für das Gericht noch für den Betroffenen und seine Verteidigung erforderlich, Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes zu haben, insbesondere ist kein Zugang zu patent- oder urheberrechtlich geschützten Bereichen der vom Gerätehersteller eingesetzten Software erforderlich (so ebenfalls für das PoliScan-speed-Verfahren auch OLG Frankfurt, DAR 2010, 216).

Obwohl nicht entscheidungserheblich, äußert sich das OLG auch zur Verwertbarkeit einer Messung durch ein anderes Verfahren, nämlich ES 3.0:

Im gleichen Sinne hat das OLG Köln (NZV 2013, 459) für das Geschwindigkeitsmessgerät des Typs „Eso 3.0“ – für das im Übrigen auch nach Auffassung des hiesigen Senats Gleiches gilt – entschieden und dabei unter anderem ausgeführt:

„Durch die amtliche Zulassung eines Messgerätes bestätigt die Bundesanstalt, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf der Grundlage der in der Gebrauchsanweisung fest-
gelegten Vorgehensweise einer sachverständigen Prüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat. Damit steht die
generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Geräts fest und macht Informationen zu dessen genauer Funktionsweise entbehrlich. Die genaue Funktionsweise von Messgeräten ist den Gerichten auch in den Bereichen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin nicht bekannt, ohne dass insoweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen wären, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen. Nach welchem Prinzip das Geschwindigkeitsmessgerät funktioniert, ist bekannt.“

Dem treten die Senate für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts für die von beiden genannten technischen Verfahren gewonnenen Messergebnisse bei.

Dies bedeutet,

dass die Amtsgerichte in Schleswig-Holstein nicht gehindert sind, die Verfahren PoliScan-speed und Eso 3.0 weiterhin als standardisierte Messverfahren zu betrachten und von der grundsätzlichen Verwertbarkeit der so gewonnenen Ergebnisse ausgehen können.

Die Entscheidung kann in juris nachgelesen werden.