Der Angeklagte wurde bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten. Es wurde ein vorheriger Drogengenuss bei ihm festgestellt, außerdem führte er Marihuana bei sich. Das AG verurteilt ihn in einem OWi-Verfahren wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG rechtskräftig zu einer Geldbuße. Dies führt nach Ansicht des OLG Braunschweig im Strafverfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) nicht zum Strafklageverbrauch (Urteil vom 10.10.2014, Az. 1 Ss 52/14):

Soweit das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und das Verfahren eingestellt hat, ist die Revision erfolgreich. Entgegen der Ansicht der Strafkammer steht das in der Bußgeldsache rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 15.04.2014 der Verfolgung des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht entgegen. Es ist kein Strafklageverbrauch eingetreten. Zwischen der vorliegenden Tat nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG und derjenigen gem. § 24a Abs. 2 StVG besteht weder materiell-rechtliche Tateinheit noch liegt eine Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO) vor.

Ausgangspunkt der Bewertung ist die materiell-rechtliche Betrachtung. Zwar ist der prozessuale Tatbegriff im Verhältnis zum materiellen Recht selbständig; jedoch sind materiell-rechtlich selbständige Taten in der Regel auch prozessual selbständig, falls nicht weitergehende Umstände die Annahme einer Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO rechtfertigen. Letzteres wird angenommen, wenn die Handlungen innerlich so verknüpft sind, dass nur ihre gemeinsame Würdigung erlaubt ist, eine getrennte Würdigung sowie Aburteilung in verschiedenen Verfahren mithin als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde.

Zwischen beiden Taten – der Rauschtat und dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln – besteht schon keine Tateinheit, was grundsätzlich voraussetzen würde, dass mehrere Strafgesetze durch eine einzige Handlung verletzt werden und sich die objektiven Ausführungshandlungen der mehreren Tatbestände vollständig decken.

Die objektiven tatbestandlichen Ausführungshandlungen der vorliegend zu betrachtenden beiden Delikte decken sich aber nicht einmal teilweise; sie stellen bei natürlicher Betrachtungsweise – ungeachtet der zeitlichen Überschneidung bei der Tatbegehung – zwei selbständige, auf gesondert gefassten Tatentschlüssen beruhende körperliche Willensbetätigungsakte dar. Eine einheitliche Handlung liegt den beiden gegen den Beschwerdeführer ergangenen Schuldsprüchen deswegen nicht zugrunde, weil der Angeklagte die tatsächliche Gewalt über die Betäubungsmittel nicht dadurch ausübte, dass er seinen PKW unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln führte. Dass er bei Gelegenheit seiner Fahrt mit dem PKW im Besitz von Betäubungsmitteln angetroffen wurde, stellt einen zufälligen äußeren Umstand dar. Eine innere Verknüpfung beider Handlungen, die über die bloße Gleichzeitigkeit hinausginge, ist darin nicht zu sehen. Denn der Angeklagte hätte die tatsächliche Sachherrschaft über das Rauschgift auch dann nicht verloren, wenn er nicht als Führer eines PKW am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen, sondern das in seiner Jacke verwahrte Marihuana auf der Fahrt zu seinem Freund, mit dem er die Drogen gemeinsam konsumieren wollte, als Passagier eines beliebigen Verkehrsmittels mit sich geführt hätte.

Die somit sachlich-rechtlich selbständige Taten sind grundsätzlich auch prozessual selbständig. Eine unlösbare innere Verknüpfung zweier Handlungen, die über die bloße Gleichzeitigkeit ihrer Ausführung hinausginge, liegt nicht vor, wenn der Täter – wie hier – mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung berauschender Mittel fährt und hierbei Betäubungsmittel ohne einen erkennbaren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang als Teil seines persönlichen Gewahrsams mit sich führt. Beide Tatbestände knüpfen zwar an die Existenz eines Betäubungsmittels (im Blut bzw. als körperliche Sache) an, greifen aber in ihrer Struktur nicht ineinander. Die Fahrt verfolgt in einem solchen Fall – anders als in den Transport- oder Fluchtfällen – nicht den Zweck, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern; die Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit dient nicht dazu, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Die Verlagerung des Besitzes an einen anderen Ort unter Verwendung des Kraftfahrzeugs ist lediglich die zwangsläufige Begleitfolge der Entscheidung, auf der Besuchsfahrt zum Freund dieses private Verkehrsmittel und keine öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Auf das Weiterbestehen des zeitgleichen Besitzes der BTM hat dies aber keinerlei Auswirkungen, weil – wie bereits ausgeführt – der Angeklagte die tatsächliche Sachherrschaft über das Rauschgift auch dann gleichermaßen behalten hätte, wenn er das in seiner Jacke verwahrte Marihuana als Passagier eines beliebigen Verkehrsmittels mit sich geführt hätte.

Da die Mitnahme der Betäubungsmittel sich auch nicht auf die Fahrtätigkeit als solche ausgewirkt hat und auch nicht auswirken sollte, was zu bedenken gewesen wäre, wenn der der Angeklagte das Marihuana deshalb bei sich geführt hätte, um sich durch den Konsum der Drogen als Genuss- oder Aufputschmittel die Fahrt zu erleichtern, gibt es daher insgesamt keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte, die die Annahme einer einheitlichen Tat rechtfertigen könnten.