Quelle: Jochen Jansen, Wikimedia Commons

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Eine LKW-Fahrt unter Alkoholeinfluss eines alkoholabhängigen Berufskraftfahrers rechtfertigen nicht zwangsläufig die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Zwar liege dann eine schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Pflichten vor, allerdings könne dem Fahrer – da es sich bei der Abhängigkeit um eine Krankheit handelt – kein Schuldvorwurf gemacht werden. Wenn – wie in diesem Fall – eine ernsthafte Therapiebereitschaft und für die Zukunft eine positive Prognose besteht, sei eine personen- bzw. verhaltensbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.08.2014, Az. 7 Sa 852/14):

2.1.2.2 War der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung alkoholabhängig sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an die Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht steht, grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an eine krankheitsbedingte Kündigung zu stellen. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit; verstößt der Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen. Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche personenbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel – etwa eine Versetzung – nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

2.1.2.3 Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die streitgegenständliche Kündigung als personenbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt. Im Streitfall kann nicht davon ausgegangen werden, der Kläger biete aufgrund von Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als LKW-Fahrer dauerhaft ordnungsgemäß erbringen zu können. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung therapiebereit. Dies hat er dem Betriebsrat bereits vor Ausspruch der Kündigung mitgeteilt. Der Betriebsrat hat seinen Widerspruch gerade damit begründet, dass der Kläger angekündigt hatte, er werde sich wegen Alkoholproblemen in ärztliche Behandlung begeben. Der Kläger hat die erforderlichen Maßnahmen in die Wege geleitet, um von seiner Alkoholerkrankung geheilt zu werden. Bereits am Tag des Zugangs der Kündigung hat der Kläger die stationäre Behandlung begonnen und den Entzug dann auch abgeschlossen. Es handelte sich dabei auch nicht etwa nur um ein Lippenbekenntnis, was die nachfolgende Teilnahme an Beratungsgesprächen und die Teilnahme an der ganztätigen ambulanten Therapie in der Zeit vom 16.10.2013 bis zum 10.01.2014 dokumentieren. Aufgrund der im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden ernsthaften Therapiebereitschaft ist aber eine Prognose, der Kläger werde in absehbarer Zeit nicht von seiner Alkoholerkrankung geheilt, nicht gerechtfertigt. Der Kläger ist auch nicht etwa nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden, was wiederum eine negative Prognose rechtfertigen könnte. (…)

Dem Kläger fehlte auch nicht aufgrund einer Alkoholerkrankung die Eignung als LKW-Fahrer tätig zu werden. Zwar ist nach § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 3 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach Nr. 8.3 des Anhangs 4 zur FeV besitzen Personen, die alkoholabhängig sind, die Fahreignung nicht. Die erforderlichen Feststellungen dafür sind der Fahrerlaubnisbehörde vorbehalten und unterliegen dem dortigen Verfahren einschließlich der entsprechenden Rechtsmittel. Diese Behörde hat die fehlende Eignung des Klägers nicht festgestellt und ihm die Fahrerlaubnis auch nicht entzogen. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Ohne eine solche behördliche Entscheidung konnte die Beklagte nicht zwingend von einer (dauerhaften) fehlenden Eignung ausgehen. Denn nach einer Entzugsbehandlung kann die Eignung wieder bejaht werden (8.4 der Anlage 4 FeV). (…)

2.1.2.4 Zudem überwogen im Rahmen der Interessenabwägung die Interessen des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber den Interessen des Beklagten an dessen Beendigung. Bei der Interessenabwägung war zugunsten des Klägers seine erhebliche Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Der Kläger hat im Zeitpunkt der Kündigung seine Pflichtverletzung und deren Ursachen eingesehen, wie sich aus seiner Therapiebereitschaft ergibt. Er hat mit dem Entzug das zunächst Notwendige veranlasst und auf sich genommen, zukünftige vergleichbare Pflichtverletzungen zu verhindern. Damit wird auch ausreichend der Verantwortung der Beklagten gegenüber der Allgemeinheit Rechnung getragen, nur solche LKW-Fahrer einzusetzen, die den Straßenverkehr nicht durch Alkoholgenuss gefährden. Die vom Arbeitsgericht angesprochenen general-präventiven Gesichtspunkte zur Durchsetzung eines absoluten Alkoholverbots werden dadurch nicht berührt. Es geht vorliegend nicht um die einmalige Hinnahme einer Alkoholfahrt durch die Beklagte, sondern um die Weiterbeschäftigung eines alkoholkranken Mitarbeiters nach einer Therapie.