Quelle: Nslsmith, Wikimedia Commons

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Das OLG Frankfurt musste sich mit der Frage befassen, ob Chiptuning sich (voraussichtlich) nachteilig auf die Laufleistung eines Motors auswirkt und welche Wertminderung der Leasingnehmer wegen der Veränderungen am Motor auszugleichen hat. Das OLG nimmt, wie bereits andere Gerichte, eine Substanzverletzung und einen Verstoß gegen die Leasing-AGB an (Urteil vom 04.12.2014, Az. 12 U 137/13):

b) Ein Chip-tuning zur Leistungssteigerung des Motors eines Leasingfahrzeuges geht auch dann über den üblichen vertragsgemäßen Gebrauch und die damit einhergehende gewöhnliche Abnutzung hinaus, weil die Gefahr eines übermäßigen Verschleißes, für die die Bauteile konstruktiv nicht ausgelegt sind, auch bei vergleichsweise kurzer Laufzeit besteht. Dies gilt jedenfalls bei herstellerfremden Eingriffen in die Motorelektronik zur Leistungssteigerung. Denn neben dem Erlöschen der Betriebserlaubnis durch leistungssteigernde Maßnahmen steht aufgrund der Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen X vom 14.1.2013 fest, dass die Bauteile auch bei einer Fahrstrecke von lediglich 9000-10.000 km regelmäßig einem erhöhten Verschleiß unterliegen, wenn der Motor mit einer vom Hersteller nicht vorgesehenen erhöhten Leistung betrieben wird. Der diesbezüglichen Würdigung durch das Landgericht hat die Berufung nichts Durchgreifendes entgegenzusetzen. Die ausführlich begründeten Feststellungen, weshalb eine Leistungssteigerung zu einer besonderen Belastung der betroffenen Baugruppen und zu deren vorzeitigem Verschleiß führt, hat die Berufung in der Sache nicht erschüttert. Das Berufungsgericht teilt die überzeugende Entscheidung des Landgerichts. Denn sie ist ausführlich und widerspruchsfrei auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens begründet worden.

Das Berufungsgericht geht insoweit mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe (NJW 2007, 443) davon aus, dass das Chip-tuning einen Substanzeingriff darstellt. In der Rechtsprechung zum Kaufrecht ist weitgehend anerkannt, dass dies jedenfalls bei längerem Gebrauch einen Sachmangel der Kaufsache darstellt (vgl. OLG Düsseldorf 22 U 166/08, zitiert nach Juris; OLG Hamm 28 U 186/10, DAR 2012, 261). Ein solcher kann auch in dem Verdacht einer nachteiligen Veränderung der Beschaffenheit liegen (vgl. OLG Naumburg, 1 U 30/08, OLGR 2009, 284).

Zu derartigen Eingriffen, die nicht nach Herstellervorgaben erfolgen, ist der Leasingnehmer aufgrund der Leasingvereinbarung, nach der nachträgliche Änderungen und zusätzliche Einbauten der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Leasinggebers bedürfen (VIII 3. der AGB) nicht berechtigt und hat sie bei Beendigung des Leasingvertrages wieder zu entfernen. Dies trifft auf das herstellerfremde Chip-tuning insbesondere deshalb zu, weil mit einer solchen vom Hersteller nicht freigegebenen Leistungssteigerung nach der Verkehrsanschauung die Gefahr eines übermäßigen und vorzeitigen Verschleißes der Antriebseinheit verbunden ist und ein potentieller Erwerber des Fahrzeugs bei Kenntnis von einer auch nur zeitweiligen derartigen Leistungssteigerung einen geringeren Kaufpreis zu zahlen bereit ist oder aufgrund der unsicheren technischen Auswirkungen von einem Erwerb insgesamt Abstand nähme. (…)

Um die Höhe der Wertminderung festzustellen, müssen alle Einzelfallumstände bedacht werden, wobei das OLG auch die vergleichsweise kurze Dauer des Eingriffs (ca. 10000 km) bedacht und ins Verhältnis zu der üblichen Laufleistung eines vergleichbaren Motors (200000 km) gesetzt hat:

f) Die Bemessung der Wertminderung gemäß XVI.3. der AGB kann im Wege der Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO erfolgen. Sie ist Rechtsanwendung und bedarf ausreichender tatsächlicher Anknüpfungspunkte, die gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen festzustellen sind. Sie darf jedoch nicht vollständig dem Sachverständigen überlassen und auch nicht von den Tatbeständen der Wertminderung abgekoppelt werden, deren Bemessung sie dient. Bei Beachtung dieser Maßstäbe unterliegt die Schätzung aufgrund ihres Prognosecharakters nur einer eingeschränkten Überprüfung.

Die Entscheidung des Landgerichts, den merkantilen Minderwert eines zeitweiligen Chip-tuning nach sachverständiger Beratung abstrakt mit 25 % des vereinbarten Restwertes von rund 31.000 € zu bemessen, wird den Anforderungen an eine Schätzung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht in jeder Hinsicht gerecht und war auf die Berufung der Beklagten abzuändern.

Dabei war zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug entgegen der Ankaufsbestätigung des Vertragshändlers vom 10.5.2010 unstreitig keinen reparierten Unfallschaden oder sonst keine Mängel aufwies, sondern nach den obigen Feststellungen nur zeitweilig mit einem Chip-tuning betrieben worden war. Dieses ist auch bei der hier feststellbaren Laufleistung von 9000-10.000 km während der Leistungssteigerung geeignet, die Dauerhaltbarkeit des Motors und des Antriebsstrang zu beeinträchtigen. Dies hat das Landgericht auf der Grundlage des Gutachtens X zu Recht festgestellt. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht hingegen, dass der Sachverständige die Kosten für eine vollständige Erneuerung von Motorteilen und des Antriebsstrangs mit 11.793,20 € netto oder 14.089,20 € brutto kalkuliert hat und dass die von ihm für angemessen erachtete Wertminderung mehr als 50 % der vollständigen Kosten der Erneuerung ausmacht. Eine solche Wertminderung erscheint im Hinblick auf die übliche Laufleistung eines großvolumigen Dieselmotors wie vorliegend, die unter normalen Betriebsbedingungen bei mindestens 200.000 km liegt, unangemessen hoch, weil sie für einen sehr geringen Anteil an der Laufleistung von höchstens 10.000 km bereits 50 % der regelmäßig erst nach langer Laufleistung anfallenden Kosten des vollständigen Austauschs der betroffenen Antriebsteile zubilligt. Für die Bemessung der Wertminderung ist es vielmehr erforderlich, einen angemessenen Bezug zu den voraussichtlichen Reparaturkosten herzustellen. Dabei hat das Berufungsgericht den erhöhten Verschleiß durch die Leistungssteigerung, den das Landgericht auf der Basis des Sachverständigengutachtens zu Recht angenommen hat, berücksichtigt. Dies rechtfertigt eine Bemessung der Wertminderung mit 10 % der kalkulierten Austauschkosten wegen einer Leistungssteigerung während 5 % der üblichen Laufzeit. Der auf der Grundlage der nicht angegriffenen Kalkulation des Sachverständigen X von 14.089,20 € brutto ermittelte Betrag der Wertminderung beläuft sich auf 1408,92 € und war der Klägerin zuzusprechen. Im Übrigen ist die Klage in der Hauptforderung unbegründet.

Das OLG hat die Revision zugelassen.