Quelle: Dlouhy GmbH, Wikimedia Commons

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Aus den Ausführungen des OLG Bamberg (Beschluss vom 17.12.2014, Az. 3 OLG 8 Ss 140/14) ergibt sich in etwa folgendes Geschehen: Zwischen dem Angeklagten und zwei Zeugen – alle drei waren angetrunken – kam es zu einer “Rangelei und Geschreie”. Der Angeklagte wollte dann mit seinem Fahrzeug wegfahren. Die Zeugen wollten ihn daran hindern und stellten sich vor das Fahrzeug. Der Angeklagte fuhr an, berührte mit dem Fahrzeug beide Zeugen, die dadurch auf die Motorhaube fielen und sich dort abstützen konnten. Dabei erlitt ein Zeuge eine Schürfwunde durch das Verrutschen seiner Hose. Der Angeklagte setzte nun zurück und fuhr davon. Das OLG hat die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit zwei Nötigungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:

Im Hinblick auf den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen G. fehlen schon ausreichende Feststellungen, die das nur kurzfristige Anfahren des Angeklagten mit dem Pkw in Richtung auf die beiden Zeugen als eine „mittels eines […] gefährlichen Werkzeugs“ begangene Körperverletzung und damit als relevante Tathandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB hinreichend belegen könnten, zumal sich weitere Feststellungen zu dieser Frage auch nicht etwa angesichts der im Urteil umschriebenen Tatsituation erübrigten.

a) Auch dann, wenn die Körperverletzung unter Einsatz eines Kraftfahrzeugs bzw. eines Pkw begangen wurde, hängt die Erfüllung des Tatbestandes nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB davon ab, dass das Fahrzeug tatsächlich als ‘gefährliches Werkzeug’, d.h. als ein nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 28.09.2010 – 3 StR 338/10 [bei juris] m.w.N.). Dies ist nach den bisherigen Feststellungen, die sich nicht zur Beschleunigung beim Anfahren verhalten, hier schon deshalb fraglich, weil die von dem Zeugen erlittene Schürfwunde am rechten Schienbein – wie sachverständig ausgeführt – tatsächlich erst durch „ein Verrutschen der Textilien (Hose)“ auf der Haut „hervorgerufen“ worden sein könnte, weshalb „es auf das Material der Stoßstange nicht ankomme“. Hinzu kommt, dass der Zeuge M., der sich ebenfalls vor den Pkw des Angeklagten gestellt hatte, nicht verletzt wurde.

b) Ferner geht das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte damit „rechnete“, dass „durch seine Vorgehensweise“ bei dem Zeugen „eine Verletzung am Bein erfolgen könne“ und „dies billigend in Kauf“ nahm. Nach den weiteren Feststellungen der Berufungskammer versteht sich das hier aber wegen der Besonderheiten des gesamten Tatgeschehens gerade nicht von selbst. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar belegt, dass der Angeklagte eine Körperverletzung des Zeugen überhaupt oder gar eine erhebliche Verletzung tatsächlich auch nur in Kauf genommen hätte, zumal der sich in identischer Gefährdungslage befindliche Zeuge M. unverletzt blieb. Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der Angeklagte zunächst nach vorne, um die beiden im Abstand von ca. 20 cm vor der Motorhaube seines Pkw stehenden Zeugen „dazu zu bringen, den Weg frei zu machen“, ehe es zu der Berührung des rechten Schienbeins mitsamt „einer eintägig schmerzenden Schürfwunde am rechten Schienbein“ des Zeugen G. kam und beide Zeugen sodann – bedingt durch die Berührung – nach vorn auf die Motorhaube fielen, wo sie sich mit den Händen abfangen konnten, ehe der Angeklagte sein Fahrzeug zurücksetzte und davonfuhr. Hiernach erscheint es sogar fraglich, ob von den Feststellungen die Erfüllung des Tatbestandes einer nur ‘einfachen’ (versuchten oder vollendeten) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB als hinreichend gedeckt anzusehen wäre. Erst recht rechtfertigten die Feststellungen mangels eines hinreichend belegten Tatentschlusses auch einen Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2, 22, 23 StGB nicht. Feststellungen, die eine Verurteilung des Angeklagten nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB rechtfertigen könnten, hat das Landgericht weder zur objektiven noch zur subjektiven Tatseite getroffen.

2. Auch soweit das Landgericht das geschilderte An- bzw. Losfahren des Angeklagten in Richtung auf beide Zeugen als tateinheitlich zur gefährlichen Körperverletzung begangene (untereinander ebenfalls tateinheitliche) Nötigungen wertet, sind seine Feststellungen lückenhaft. Denn die Berufungskammer geht nicht der Frage nach, ob die im Raum stehende Nötigungshandlung des Angeklagten aufgrund der Gesamtumstände im Ergebnis deshalb nicht als „verwerflich“ im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB anzusehen sein könnte, weil sich der Angeklagten in der konkreten, zumindest aus seiner Sicht bedrohlichen Situation in einer subjektiv als notwehrähnlich empfundenen Zwangslage befand. Immerhin wollten ihn die beiden Zeugen nicht nur daran hindern, seine Fahrt fortzusetzen; unmittelbar zuvor war es zwischen dem Angeklagten und den Zeugen, die „alle drei […] angetrunken“ waren, bereits zu einer „Rangelei und einem Geschreie“ gekommen. Aus welchen Gründen die Zeugen den Angeklagten an der Weiterfahrt hindern wollten, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Ferner bleibt unklar, warum sich der Angeklagte entfernen wollte. Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen ist es dem Senat nicht möglich, eine abschließende Wertung zu der Frage zu treffen, ob zu Lasten des Angeklagten unter den gegebenen Umständen von einer Verwerflichkeit der Tat ausgegangen werden durfte.