Ein Angeklagter hat ein Wahlrecht, ob er gegen ein Strafurteil des Amtsgerichts mit der Berufung oder der (Sprung-)Revision vorgeht. Nach Einlegung eines nicht näher bezeichneten “Rechtsmittels” kann er dieses Recht bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ausüben. Geht die Begründung verspätet ein, ist das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln. Dann kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 26.02.2015, Az. III-2 RVs 4/15).

1. Das Oberlandesgericht Hamm ist für eine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten vom 01.09.2014 nicht zuständig, weil das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln ist.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen stand dem Angeklagten sowohl das Rechtsmittel der Berufung als auch das Rechtsmittel der Sprungrevision zu (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO). Mit dem nicht näher bezeichneten “Rechtsmittel” hat der Angeklagte dieses Urteil zunächst unbestimmt angefochten und die Wahl zwischen Berufung und Revision offen gelassen. Diese Art der Anfechtung ist in Erweiterung des § 335 StPO zulässig, weil der Angeklagte die Entscheidung über das aus seiner Sicht geeignete Rechtsmittel in der Regel erst nach Kenntnis der Urteilsgründe treffen kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 335 Rn. 2 m.w.N.). Das Rechtsmittel ist auch form- und fristgerecht (§§ 314 Abs. 1, 335 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO) bei dem zuständigen Amtsgericht Recklinghausen eingelegt worden.

Eine endgültige Wahl über das durchzuführende Rechtsmittel kann in diesen Fällen jedoch nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) getroffen werden. Wird keine Wahl getroffen oder ist die Erklärung nicht rechtzeitig innerhalb der Revisionsbegründungsfrist bei dem zuständigen Amtsgericht eingegangen, so wird das Rechtsmittel als Berufung behandelt (BGH, Beschluss vom 25. Januar 1995 – 2 StR 456/94 -, BGHSt 40, 395; BGH, Beschluss vom 19. April 1985 – 2 StR 317/84 -, BGHSt 33, 183, 189; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 08. März 2001 – 5St RR 26/01 -, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 21. April 2005 – 3 Ss 136/05 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 335 Rn. 4). Das Recht des Angeklagten, zwischen den beiden gesetzlich zunächst statthaften Anfechtungsmöglichkeiten zu wählen, geht mit Ablauf der Revisionsbegründungsfrist endgültig unter (Bayerisches Oberstes Landesgericht , aaO.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO., Rn. 8 m.w.N.).

So liegt der Fall hier: Das Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten am 22.09.2014 zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO lief deshalb am 22.10.2014 ab (§ 43 Abs. 1 StPO). Das unbenannte Rechtsmittel wurde erstmals mit Schriftsatz vom 20.10.2014 als Revision bezeichnet, begründet und mit einem Revisionsantrag versehen. Dieses Schreiben ist jedoch erst am 23.10.2014 (Donnerstag) und damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei dem Amtsgericht Recklinghausen eingegangen. Das Rechtsmittel des Angeklagten vom 01.09.2014 ist deshalb als Berufung durchzuführen.

Der verspätete Eingang des Schriftsatzes vom 20.10.2014 am 23.10.2014 ist durch den Eingangsstempel des Amtsgerichts Recklinghausen bewiesen. Der Eingangsstempel ist eine öffentliche Urkunde, deren Beweiskraft durch die Behauptung des Angeklagten, der Schriftsatz vom 20.10.2014 sei durch seinen Verteidiger vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen worden, nicht erschüttert wird (vgl. KG, Beschluss vom 11.07.2001, Az.: 1 AR 764/015 Ws 376/01, juris). Dies gilt umso mehr, als ein konkretes Einwurfdatum bzw. die konkreten Umstände des Einwurfs durch den Angeklagten nicht mitgeteilt werden. Dessen Vortrag beschränkt sich vielmehr im Kern auf die Darlegung der üblichen Arbeitsabläufe seines Verteidigers bzw. die Mitteilung der dortigen Überzeugung, den Schriftsatz fristgerecht “am 20.10.2014 oder 21.10.2014” vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingeworfen zu haben. Dies reicht zur Erschütterung der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nicht aus.

2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 ff. StPO) gegen die Versäumung der Frist zur Bezeichnung des Rechtsmittels als Revision und zu deren Begründung war als unzulässig zu verwerfen.

Die verspätete Ausübung des Wahlrechts hat lediglich zur Folge, dass damit das zunächst unbenannt eingelegte, deshalb aber ohnehin von vornherein als Berufung anzusehende Rechtsmittel (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 1985 – 2 StR 317/84 -, BGHSt 33, 183, 189; Bayerisches Oberstes Landesgericht, aaO.) nunmehr     endgültig als Berufung zu behandeln ist. Der Angeklagte hat mit der nicht fristgerechten Ausübung seines Wahlrechts keine eigenständige, einer selbstständigen Frist unterliegende Prozesshandlung versäumt, gegen die Wiedereinsetzung gewährt werden könnte (OLG Dresden, Beschluss vom 21. April 2005 – 3 Ss 136/05 -, juris). Für eine Wiedereinsetzung besteht zudem kein Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Angeklagten mit der Berufung das Recht zu einer umfassenden Überprüfung des angefochtenen Urteils verbleibt (Bayerisches Oberstes Landesgericht, aaO.).

3. Für das nach alledem als Berufung durchzuführende Rechtsmittel gegen das Urteil des Strafrichters des Amtsgerichts Recklinghausen ist das Landgericht Bochum zuständig (§ 74 Abs. 3 GVG). An dieses ist die Sache in analoger Anwendung von § 348 Abs. 1 und 2 StPO (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 08. März 2001 – 5St RR 26/01 -, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 21. April 2005 – 3 Ss 136/05 -, juris) abzugeben.