Norbert Kaiser, Wikimedia Commons

Norbert Kaiser, Wikimedia Commons

Obwohl ein Unfall an entlegener Stelle ohne Zeugen häufig ein Indiz für eine Unfallmanipulation sein kann, kann auch ein Unfall auf dem Parkplatz eines Supermarktes während der Öffnungszeiten absichtlich herbeigeführt worden sein. Das nahm das  LG Bochum in einem aktuellen Fall (Urteil vom 13.05.2015, Az. I-2 O 528/12) an: Der Kläger parkte sein hochwertiges (BMW 750i) Fahrzeug in einer Parkbox und befand sich im Supermarkt. Der Beklagte zu 1) wollte seinen Pkw (Wiederbeschaffungswert 1000 EUR) in der Box nebenan parken und verursachte beim Einparken einen Streifschaden. Das Gericht sah mehrere Indizien, die auf ein verabredetes Unfallereignis haben schließen lassen, u. a., dass der Beklagte, der in der Vergangenheit schon per Haftbefehl gesucht wurde, einen falschen Unfallhergang schilderte und der Sachverständige des Klägers einen zu hohen Wiederbeschaffungswerte nannte. Bei der Reparatur des klägerischen Fahrzeugs wurden außerdem teure Achsteile, die im Gutachten aufgeführt waren, nicht getauscht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass es sich vorliegend um einen manipulierten Verkehrsunfall gehandelt hat, demzufolge die Klägerin nicht mit Erfolg Schadensersatzansprüche gemäß § 7 I StVG i.V.m. §§ 115 VVG, 18 I StVG i.V.m. § 115 VVG und § 823 I BGB i.V.m. § 115 VV, § 3 Nr. 8 PflVG gelten machen kann. Es liegen zahlreiche Indizien vor, die bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu der Überzeugung führen, dass hier ein Unfallereignis gestellt wurde, um bei der Abrechnung eines absichtlich herbeigeführten Schadens einen möglichst großen Gewinn zu erzielen.

Grundsätzlich hat der angeblich Geschädigte nur den äußeren Tatbestand eines Unfalls, die Kollision der Fahrzeuge, zu beweisen. Demgegenüber hat der Schädiger, Halter sowie dessen Haftpflichtversicherung darzulegen und zu beweisen, dass es sich bei dem Schadensereignis um einen abgesprochen, fingierten Unfall gehandelt hat. Hierzu genügt der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten. Die ungewohnte Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation sprechen, gestattet eine entsprechende Feststellung.

Dafür sprechen die im Folgenden aufgeführten zahlenreichen gewichtigen und typischen Indizien.

Der Beklagte zu 1) lebt in desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen und wurde in der Vergangenheit schon per Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gesucht.

Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) ist ein alter Opel Vectra mit einem Wiederbeschaffungswert von 1.000,00 Euro. Es ist kein relevanter Eigenschaden an dem Fahrzeug durch den Vorfall entstanden. Das Fahrzeug des Klägers hingegen ist hochwertig, wurde im erheblichen Maße beschädigt und weist diverse Vorschäden auf.

Der Beklagte schilderte den Unfallhergang bei der Schadensanzeige anders als bei dem Ortstermin mit dem Sachverständigen des Beklagten zu 2).

Der Wiederbeschaffungswert wurde durch den Klägersachverständigen auf 26.000,00 Euro bemessen, wobei dieser nur bei 20.000,00 Euro liegt und dadurch eine Reparatur ausgehend von der Kostenberechnung durch den Klägersachverständigen die 130% Grenze übersteigt und ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Die Reparaturkosten beziffert der Sachverständige K. mit 9.784,88 Euro.

Ungeachtet des Umstandes, dass die an den unfallbeteiligten Fahrzeugen entstandenen Schäden miteinander kompatibel sind, ist der Unfallhergang nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht plausibel. Der Unfallhergang nach Angaben des Beklagten zu 1) stimmt nach dem Sachverständigengutachten nicht mit dem entstanden Schaden am Fahrzeug des Klägers überein. Der Beklagte zu 1) ist nach eigener Angabe ein wenig zu schnell in die Parkbox eingefahren und konnte aufgrund eines Knalls nicht sagen, ob er abgebremst oder Gas gegeben hat. Der Sachverständige hat dagegen überzeugend festgestellt, dass der Beklagte kontrolliert in die Parkbox eingefahren sein muss, um den vorhanden Schaden zu verursachen. Es sei ein oberflächiger Schaden entstanden, der mittels eines oberflächigen Kaschierens durch Spachtelauftrag kostengünstig zu reparieren sei. Auch seien bei der vom Kläger durchgeführten “Reparatur” Achsteile, die in seinem Parteigutachten einen erheblichen Kostenfaktor dargestellt hätten, nicht getauscht worden. So wurden mit geringem Risiko bei anscheinend eindeutiger Haftungslage die Voraussetzungen für die Abrechnung eines “Schadens” geschaffen, der die tatsächlich zur optischen Aufbereitung des Fahrzeugs erforderlichen Kosten deutlich übersteigt und einen erheblichen “Gewinn” erwarten lässt.