Quelle: ACBahn, Wikimedia Commons

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Ist der entscheidende Richter mit einer am Verfahren beteiligten Person verheiratet, wird teilweise ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit angenommen (z. B. in AG Kehl: Rich­te­rin mit Staats­an­walt ver­hei­ra­tet – Besorg­nis der Befangenheit). Beim AG Dresden hat nun auch die Ehe zwischen der Richterin und dem Büroangestellten des Klägervertreters ausgereicht, einen „bösen Schein“ vermeiden zu wollen. Die Selbstablehnung der Richterin wurde für begründet erklärt (Beschluss vom 27.07.2015, Az. 142 C 6444/14).

I. Mit Verfügung vom 18.06.2015 zeigte die im Beschlusstenor bezeichnete Richterin gemäß § 48 Var.1 ZPO an, dass ihr Ehemann aufgrund Arbeitsvertrags vom 12.06.2015 mit Wirkung ab dem 01.06.2015 in die Kanzlei der Klägervertreter als Büroangestellter beschäftigt sei. Die Parteien haben von der ihnen hierzu eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

II. Zwar begründet die Ehe der Richterin mit einem Büroangestellten der Klägervertreter keinen Ausschließungsgrund gemäß § 41 ZPO. Der Ausschließungsgrund des § 41 Ziffer 2 ZPO greift nur, wenn der Ehegatte des Richters selbst Partei des Rechtsstreits, nicht nur deren Prozessbevollmächtigter ist. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 41 ZPO, wie sie in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung für derartige Konfliktlagen verschiedentlich erwogen wird (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05.03.1998, L 5 S 2/98, zitiert nach juris, Tn. 2 ff.), liegen mangels einer planwidrigen Regelungslücke zumindest für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht vor. Denn aus dem Umstand, dass § 41 ZPO eine solche Konfliktlage nicht typisierend aufführt, folgt nicht im Umkehrschluss, dass die Ehe eines Richters mit einem Mitarbeiter der Prozessbevollmächtigten allein auch kein Ablehnungsrecht nach § 42 ZPO begründet (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.1998, L 3 B 33/98, NJW-RR 1998 2799 f.).

Die von der Richterin mitgeteilte Ehe mit einem Büroangestellten der Prozessbevollmächtigten einer Partei des Rechtsstreits rechtfertigt jedoch die Besorgnis ihrer Befangenheit gemäß §§ 48, 42 Abs. 2 ZPO. Denn er kann aus Sicht der Gegenpartei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Richterin zu zweifeln.

Soweit in der Rechtsprechung für den Fall einer Ehe oder eines anderen engen verwandtschaftlichen Verhältnisses des Richters mit einem Mitglied der Sozietät eines Prozessbevollmächtigten verschiedentlich die Auffassung vertreten wurde, allein hieraus könne die Besorgnis der Befangenheit nicht hergeleitet werden, weil diese Konfliktlage andernfalls einem absoluten Ausschließungsgrund nach § 41 ZPO nahekäme (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23.08.1995, 9 W 78/95, zitiert nach juris, Tn. 5; im Ergebnis ebenso OLG Hamburg, Beschluss vom 26.01.2005, 14 U 133/04, OLGR 2005, 406, offengelassen: KG Berlin, Beschluss vom 11.06.1999, 28 W 3063/99, zitiert nach juris, Tn. 3 ff. und OLG Bremen, Beschluss vom 19.12.2007, MDR 2008, 283), ist dem die obergerichtliche Rechtsprechung schon bisher verbreitet nicht gefolgt (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 16.05.2000, 16 W 1000/00, zitiert nach juris, OLG Jena, Urteil vom 25.08.1999, 2 U 755/99, MDR 2000, 540, SächsOVG, Beschluss vom 01.08.2000, 1 B 58/99, zitiert nach juris, Tn. 6 f., LSG Rheinland- Pfalz, Beschluss vom 04.06.1998, aaO.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.07.2002, L 4 B 220/02 SF, zitiert nach juris, Tn. 9, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.01.2012, L 8 SO 27/10 B ER, zitiert nach juris, Tn. 3). Letztgenannter Auffassung hat sich auch der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung für einen Fall angeschlossen, in dem keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Ehegatte des Richters den Rechtsstreit in der Kanzlei der an Rechtsstreit beteiligten Prozessbevollmächtigten selbst bearbeitete. Schon die besondere berufliche Nähe des Ehepartners des Richters zu den Prozessbevollmächtigten einer Partei gebe der gegnerischen Partei begründeten Anlass zur Sorge, dass es dadurch zu einer unzulässigen Einflussnahme auf den Richter kommen könnte. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen sei, dass Richter über jene Unabhängigkeit und Distanz verfügten, die sie befähigen würden, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden, sei es einer Partei nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner unterbleiben werde, und den Richter erst abzulehnen, wenn dies doch geschehe und ihr bekannt werde (Beschluss vom 15.03.2012, V ZB 102/11, VersR 2012, 1057, 1058).

Auch wenn die Voraussetzungen für eine Richterablehnung mit Blick auf den durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch der Parteien auf ihren gesetzlichen Richter nicht vorschnell angenommen werden dürfen, sind die in dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 15.03.2012 angestellten Erwägungen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zwar ist der Ehemann der Richterin nicht Mitglied der Anwaltssozietät, sondern in der Rechtsanwaltskanzlei nur als Büroangestellter beschäftigt. Auch eine solche berufliche Nähe ist jedoch geeignet, den zu vermeidenden „bösen Schein“ einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität der Richterin zu begründen, zumal auch angestellte Büromitarbeiter von Rechtsanwaltskanzleien häufig sehr weitgehend in die Bearbeitung der Rechtssache involviert sind und oft nicht weniger als die federführenden Anwälte selbst Einblick in die Details der zugrundeliegenden Vorgänge nehmen. Zwar kann auf die Zulassungsbeschränkung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 BRAO a.F. für Büroangestellte – anders als bei Mitgliedern einer Anwaltssozietät – nicht in gleicher Weise wie für Rechtanwälte zurückgegriffen werden, um die Relevanz der Ehe an sich für einen zu vermeidenden „bösen Schein“ der Voreingenommenheit des Richters argumentativ zu untermauern. Dies hat jedoch seinen Grund nicht darin, dass dieser durch die Ehe zu einem Richter erweckte „böse Schein“ bei einem Büroangestellten weniger schwer wiegt als bei einem Rechtsanwalt, sondern ist allein dem Fehlen eines gesetzlich geregelten Berufsstandes der Büroangestellten geschuldet. Um das Vertrauen in die Rechtspflege im Einzelfall zu erhalten und – möglicherweise auch unberechtigter, aber durch eine persönliche Nähebeziehung nahegelegter – Kritik von Verfahrensbeteiligten zu entziehen, ist es im Zweifel geboten, vor Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit auszugehen (vgl. LSG Reinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.1998, aaO., Tn. 5, 8).

Dieser Beschluss ist gemäß § 46 Abs. 2 ZPO nicht anfechtbar.