Genealogist, Wikimedia Commons

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Ist ein Angeklagter oder Betroffener der deutschen Sprache nicht mächtig, so ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen (§ 185 Abs. 1 S. 1 GVG). Diese Vorschrift gilt über § 46 Abs. 1 OWiG auch im Bußgeldverfahren. In einer Entscheidung des OLG Celle (Beschluss vom 22.07.2015, Az. 1 Ss (OWi) 118/15) hatte die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde Erfolg, da der in der Hauptverhandlung anwesende (wohl polnische) Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaft die deutsche Sprache nicht beherrschte. Ein Dolmetscher wurde nicht hinzugezogen, weil der Verteidiger polnisch spreche und sich für den Geschäftsführer einlassen werde. Allerdings könne ein Verteidiger nicht zugleich als Dolmetscher fungieren und ein Verzicht des Betroffenen auf die notwendige Hinzuziehung eines Dolmetschers sei ebenfalls unwirksam.

Ist der Betroffene der deutschen Sprache nicht mächtig, muss nach § 185 Abs. 1 GVG i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG ein Dolmetscher grundsätzlich während der ganzen Hauptverhandlung zugegen sein. Ist dies nicht der Fall, greift der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (BGHSt 3, 285; BGH NStZ 2002, 275; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl., § 338 Rn. 44). Ist der Betroffene der deutschen Sprache nur teilweise mächtig, so bleibt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters überlassen, in welchem Umfang er unter Mitwirkung des Dolmetschers mit den Prozessbeteiligten verhandeln will (BGHSt 3, 285; BGHR StPO, § 338 Nr. 5 Dolmetscher 2, 3; BGH, NStZ 2002, 275). Dieses Ermessen kann vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden, ob seine Grenzen eingehalten sind. Nur bei Vorliegen eines Ermessensfehlers können die Verfahrensvorschriften der §§ 185 GVG, 338 Nr. 5 StPO verletzt sein (BGH NStZ 1984, 328; OLG Stuttgart NJW 2006, 3796).

Im vorliegenden Fall erweist sich die Entscheidung des Vorsitzenden, keinen Dolmetscher zur Hauptverhandlung hinzuzuziehen, als ermessensfehlerhaft. Der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden ist nicht zu entnehmen, dass er davon überzeugt war, dass die deutschen Sprachkenntnisse des Geschäftsführers der Betroffenen ausreichten, um der gesamten Hauptverhandlung ohne Dolmetscher folgen und seine Rechte wahrnehmen zu können. Sie stützt sich allein auf den ausdrücklichen Verzicht auf einen Dolmetscher und auf die Erklärung des Verteidigers, sich für den Geschäftsführer der Betroffenen einzulassen und selbst als Dolmetscher für die polnische Sprache über die notwendigen Sprachkenntnisse zu verfügen. Dem steht jedoch entgegen, dass der am Verfahren beteiligte Verteidiger in der Hauptverhandlung nicht zugleich als Dolmetscher fungieren kann (vgl. Diemer in KK-StPO 7. Aufl. § 190 GVG Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 190 GVG Rn. 1) und dass auf die notwendige Hinzuziehung eines Dolmetschers nicht wirksam verzichtet werden kann (Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 185 GVG, Rn. 7; Diemer, a. a. O. § 185 GVG Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 185 GVG Rn. 4). Der deutschen Sprache nicht mächtig ist auch ein Verfahrensbeteiligter, der zwar gewisse deutsche Sprachkenntnisse besitzt, die aber nicht ausreichen, sodass er dem Verfahren nicht genügend folgen und er deshalb seine Rechte schon aus sprachlichen Gründen nicht genügend wahrnehmen kann (BVerfGE 64, 135). Das Gericht ist nicht an die Erklärungen des Beteiligten über seine Sprachkenntnisse gebunden. Im Zweifel ist ein Dolmetscher beizuziehen (Wickern, a. a. O. Rn. 2).