Patric Duletzki, Wikimedia Commons

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Nach einem Verkehrsunfall behauptete die Klägerin zunächst, ihr Fahrzeug sei auf einem Parkstreifen abgestellt gewesen und der Beklagte habe es beim rückwärts Einparken beschädigt. Später meinte sie, ihr Fahrzeug sei auf dem Parkplatz eines Grundstücks geparkt gewesen. Der Beklagte, der den Parkplatz angeblich hatte verlassen wollen, sei in Richtung Straße gefahren, hätte dort aber zurücksetzen müssen, weil auf der Straße ein anderer Pkw fuhr. In der Verhandlung trug sie dann vor, der Beklagte habe zurücksetzen müssen, weil er den Radfahrweg blockierte. Ansonsten lagen auch die “üblichen” Indizien für ein manipuliertes Unfallgeschehen vor: Ein älteres und hochwertiges Fahrzeug mit einer hohen Laufleistung wurde an der Seite beschädigt, ohne dass dabei für den Beklagten zu 1) ein Verletzungsrisiko bestanden hätte. Klägerin und Beklagter zu 1) kannten sich, die Polizei wurde nicht informiert und der Schaden später fiktiv abgerechnet. Die Klage wurde abgewiesen (LG Essen, Urteil vom 22.06.2015, Az. 17 O 182/12).

Die Kammer ist iSv § 286 ZPO davon überzeugt, dass ein fingierter Verkehrsunfall vorliegt und die Klägerin in die Sachbeschädigung eingewilligt hat.

Erforderlich für die richterliche Überzeugungsbildung ist nicht, dass die Wahrheit mit absoluter Sicherheit feststeht, sondern ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Zöller, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 286 Rn. 19).

Für den Nachweis einer Unfallmanipulation reicht es aus, dass derart gewichtige Indizien vorliegen, die bei einer Gesamtschau den Schluss auf eine solche zulassen. Es ist keine wissenschaftlich lückenlose Gewissheit notwendig, sondern es genügt der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten.

Die Gesamtwürdigung der hier vorliegenden Indizien lässt vernünftige Zweifel an einer Unfallmanipulation schweigen. Wenn auch nicht jedes Indiz einzeln den Verdacht einer Unfallmanipulation begründet, so bringt die Gesamtschau der vielen Indizien den Nachweis der Unfallmanipulation.

Zunächst spricht die Art der beteiligten Kraftfahrzeuge für das Vorliegen eines abgesprochenen Unfalls. Es handelt sich um ein bei, fingierten Unfällen typischerweise verwendetes Kraftfahrzeug. Das beschädigte Fahrzeug ist ein, wenn auch älteres, höherwertiges Fahrzeug mit einer erheblichen Laufleistung (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 24.06.2010, 7 U 102/09 sowie OLG Hamm, Urteil vom 29.03.2000, 13 U 99/99). Das Fahrzeug ist eine Mercedes-Benz Limousine und hatte eine Laufleistung von über 245.000 km zum Unfallzeitpunkt. Das auf Beklagtenseite beteiligte Fahrzeug war hingegen ein weniger wertvolleres Fahrzeug; ein 13 Jahre alter Renault Megane.

Hinzu kommt, dass die Art des Schadens, ein “lukrativer” Streifschaden, ein Indiz für eine Unfallmanipulation begründet (vgl. LG Essen, Urteil vom 16.12.2010, 3 O 190/10). Bei dem Schaden an dem auf Klägerseite beteiligten Fahrzeug handelt es sich um einen Streifschaden über fast die gesamte Länge des Fahrzeuges.

Ferner liegt ein weiteres Indiz vor, da die Klägerin im Wege der fiktiven Abrechnung Schadensersatz fordert und das Fahrzeug nicht hat tatsächlich ordnungsgemäß reparieren lassen um es weiter zu nutzen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 01.10.2005, 12 U 1114/04).

Außerdem ist der von der Klägerin geschilderte Unfallhergang nicht plausibel. Dies steht wiederum zur Überzeugung der Kammer gem. § 286 ZPO aufgrund des schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Dr. -Ing. Dipl.-Phys. … nach eigener Würdigung der Kammer, fest. Der Sachverständige ist als Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle zur Begutachtung der Plausibilität des Unfallgeschehens qualifiziert. Die Feststellungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar und plausibel.

Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass der von der Klägerin als zweite Version geschilderte Unfallvorgang (Zurücksetzen des Beklagten zu 1) auf den Parkplatz aufgrund Gegenverkehrs auf der Straße) nicht plausibel ist. Der Beklagte zu 1) hätte, um dem Gegenverkehr auszuweichen, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht bis zum Standort des klägerischen Fahrzeuges zurücksetzen müssen. Zu dem Schadensbild kann es bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h aufgrund von Wankbewegungen des Fahrzeuges gekommen sein. Eine Geschwindigkeit von 10 km/h ist allerdings bei einem zurücksetzen wegen Gegenverkehr sehr hoch.

Es kann dahinstehen bleiben, ob das klägerische Fahrzeug so abgestellt war, wie es der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zugrunde gelegt hat (Bild Nr. 6 des Gutachtens, Bl. 312 der Akte) oder ob das Fahrzeug dort abgestellt war, wo es der Zeuge Schäfer auf dem Bild Nr. 10 des Gutachtens (Bl. 314 der Akte) eingezeichnet hat. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der von dem Zeugen … angegebene Standort des Fahrzeuges keine Auswirkung auf das Ergebnis seines Gutachtens habe. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass, wenn das Fahrzeug weiter auf dem Parkplatz von der Straße weg gestanden hätte, das Zurücksetzen des Beklagten zu 1) um eine noch weitere Strecke erfolgt wäre und im Hinblick auf ein Zurücksetzen wegen Gegenverkehrs nicht plausibel sei. Auch bei Zugrundelegung dieses Unfallherganges wäre die Geschwindigkeit von 10 km/h hoch. Zu dieser Geschwindigkeit kann es nicht aufgrund des Gefälles gekommen sein. Dies folgt aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Das Gefälle ist relativ unbedeutend. Es handelt sich an der Ausfahrt nur um einen kleinen Huckel. Die Steigung selbst fängt erst nach 10 m an und beträgt nur 5 %. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Rückwärtsgang eine geringe Übersetzung hat.

Auch unter Berücksichtigung der Unfallversion der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2015 ergibt sich nichts anderes. Der Sachverständige hat schließlich in der mündlichen Anhörung angegeben, dass auch unter Zugrundelegung eines Ausweichens aufgrund eines Fahrrades der Unfallhergang nicht “normal” ist. Das Schadensbild und der Schadensablauf sind insgesamt ungewöhnlich.

Der insofern geschilderte Unfallhergang ist aber auch nicht nachvollziehbar und unglaubhaft. Auf den Lichtbildern der Unfallstelle zum Unfallzeitpunkt, Bilder Nr. 10 – 12 des schriftlichen Sachverständigengutachtens (Bl. 314, 315 der Akte) ist erkennbar, dass an der Einfahrt zu dem Parkplatz kein Fahrradweg vorhanden ist. Zudem ist dies die vierte Unfallversion der Klägerin. Das Schildern verschiedener Unfallversionen ist aber gerade ein Indiz für das Vorliegen einer Unfallmanipulation.

Als ein solches Indiz für das Vorliegen einer Unfallmanipulation wurde auch berücksichtigt, dass die Klägerin mehrere Unfallversionen geschildert hat. Mit der Klage gab sie an, dass ihr Fahrzeug am Straßenrand geparkt habe und der Beklagte zu 1) beim Rückwärtsfahren den Schaden verursacht habe. Danach trug sie vor, dass ihr Fahrzeug nicht am Straßenrand, sondern auf einem Parkplatz gestanden habe und der Beklagte den Parkplatz verlassen wollte, aufgrund von Verkehr auf der Altendorfer Straße jedoch zurücksetzen musste und dabei die Beschädigungen an der Seite des klägerisch beteiligten Fahrzeugs verursachte. Zuletzt behauptete die Klägerin, dass der Beklagte aufgrund von Verkehr auf dem Fahrradweg habe zurücksetzen müssen. Die Schilderungen des Unfalls sind unglaubhaft. Zunächst ist nicht nachvollziehbar, wieso die Klägerin den Standort ihres Fahrzeuges nicht richtig angeben konnte. Insbesondere da dieses durch den Lebensgefährten und mittlerweile Verlobten der Klägerin, den Zeugen … abgestellt wurde. Auch die Schilderung, wonach der Beklagte zu 1) aufgrund des Fahrradweges zurücksetzen musste ist nicht nachvollziehbar. Da, wie bereits oben ausgeführt, auf den Lichtbildern der Unfallstelle zum Unfallzeitpunkt an der Einfahrt zu dem Parkplatz ein Fahrradweg nicht erkennbar ist.

Ferner wurde bei der Gesamtwürdigung berücksichtigt, dass das Unfallgeschehen zu einem manipulierten Unfall passt. Es bestand ein geringes Verletzungsrisiko (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29.03.2000, 13 U 99/99). Es handelt sich um einen Unfall mit einem parkenden Fahrzeug. Auch fuhr das Fahrzeug der Beklagtenseite mit geringer Geschwindigkeit.

Bei der Überzeugungsbildung der Kammer wurde zudem berücksichtigt, dass die Beweissituation für einen gestellten Unfall typisch ist (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 19.12.2011, 4 U 2659/10). Es gibt für den Unfall selbst keine Zeugen. Die Polizei wurde auch nicht hinzugerufen.

Weiter hat bei der Gesamtschau der Indizien eine Rolle gespielt, dass der Beklagte zu 1) mit der Klägerin bekannt ist, wie er es in seiner persönlichen Anhörung angegeben hat. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Vorhalterin des Fahrzeuges die Schwägerin des Beklagten zu 1) ist.

Ob ein Vorschaden an dem klägerischen Fahrzeug tatsächlich vorhanden war, kann dahinstehen. Das Vorliegen dieses Indizes ist für die Überzeugungsbildung der Kammer nach § 286 ZPO nicht erforderlich.