Der Beklagte zu 1) kam mit seinem bei der Beklagten zu 2) versicherten Pkw von der Straße ab und beschädigte zwei ca. 110 Jahre alte Mauerwerkspfeiler des Klägers, die seine Toreinfahrt begrenzen. Dem Kläger liegt ein Angebot für die Wiederherstellung vor, das 3.389,57 EUR netto beträgt. Die Beklagte zu 2) zahlte einen Betrag von 388,26 EUR und ist der Ansicht, der Kläger müsse sich einen Abzug „neu für alt“ in Höhe von 90 % anrechnen lassen. Das AG Northeim hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer 3.000,00 EUR an den Kläger verurteilt (Urteil vom 24.09.2015, Az. 3 C 495/14).

Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 StVG ist verwirklicht, die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für den Schaden des Klägers ist unstreitig.

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten ist, insbesondere geht es um die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Abzug „Neu für Alt“ vorzunehmen ist.

Nachdem das Gericht zunächst die Auffassung vertreten hat, dass ein solcher Abzug auch im vorliegenden Fall vorzunehmen ist, ist es nunmehr – nach nochmaliger, eingehender Prüfung der Rechtslage – zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Abzug „Neu für Alt“ vorliegend nicht vorzunehmen ist.

Grundsätzlich kommt zwar in den meisten Fällen der Grundsatz des Abzuges „Neu für Alt“ im Rahmen der Vorteilsausgleichung zur Anwendung. Der Geschädigte soll durch den Ersatz des Schadens nicht besser gestellt werden, als ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses.  Denn gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der Schadensersatzpflichtige den Zustand wiederherzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (sog. Naturalrestitution) bzw. kann der Geschädigte nach § 249 S. 2 BGB statt der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Gemäß § 251 Abs. 1 BGB hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist.

Jedoch muss eine Anrechnung des Abzuges „Neu für Alt“ dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechtes entsprechen, dem Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unbillig begünstigen. Danach hat ein Abzug im vorliegenden Fall zu unterbleiben. Denn er ist dem Kläger als Geschädigtem nicht zumutbar.

Denn der Zeitwert der beschädigten Pfeiler liegt aufgrund ihres Alters erheblich unter dem Wiederbeschaffungswert. Alleine auf den Zeitwert abzustellen, wäre jedoch im vorliegenden Fall unbillig, weil faktisch durch eine entsprechende Geldentschädigung – der Zeitwert liegt ausweislich des eingeholten Gutachtens bei 390.- € – eine Wiederherstellung nicht möglich ist. Ein „Gebrauchtmarkt“ für Pfeiler, anders als bei einer Vielzahl von Dingen, existiert nicht, so dass der Kläger aufgrund des Schadensereignisses gezwungen wäre, bei einem 90 %igen Abzug „Neu für Alt“ über 3.500.- € aus eigenen Mitteln aufzuwenden, wenn er die Pfeiler wieder herstellen will.

Hinzu kommt, dass die Pfeiler voraussichtlich während der Dauer der Grundstücksnutzung nicht hätten erneuert werden müssen. Sie waren noch voll funktionsfähig. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer liegt im vorliegenden Fall über der der technischen Nutzungsdauer.

Auch weist der Klägervertreter zutreffend darauf hin, dass bei einer Betrachtung des wirtschaftlichen Wertes nicht auf isoliert die Pfeiler, sondern auf das Grundstück und den gesamten darauf befindlichen Gebäudekomplex abzustellen ist. Unter diesem Aspekt fällt der Wert der Pfeiler jedoch kaum ins Gewicht. Anknüpfungspunkt für die Höhe des Schadensersatzes kann daher nur der tatsächliche Wert der gesamten Sache sein. Sie muss sich deshalb nach dem Aufwand bemessen, den der Geschädigte betreiben muss, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Daraus resultiert, dass in diesem Fall der Wiederbeschaffungswert der beschädigten Pfeiler zu ersetzen ist.

Andernfalls stünde der Geschädigte stets vor einer unzumutbaren Benachteiligung, wenn eine Sache beschädigt wurde, die nicht unter Berücksichtigung des Alterungsprozesses wiederbeschafft werden kann. Es ist daher nicht nur interessengerecht sondern entspricht auch dem Gedanken des § 251 Abs. 1 BGB. Der entstandene Schaden kann im vorliegenden Fall nur durch den Ersatz des Wiederbeschaffungswerts der beschädigten Pfeiler kompensiert werden.

Zudem wäre das Integritätsinteresse des Klägers in hohem Maße beeinträchtigt, würde nur der technische Zeitwert ersetzt werden. Denn der Kläger müsste erhebliche eigene Mittel aufwenden, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Aufgrund des hohen Abzuges von 90 % stünde der Kläger erheblich schlechter als zuvor. Der Geschädigte ist daher gegenüber dem Schädiger schutzwürdig. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre der bloße Ersatz des Zeitwertes hier unzumutbar.

Zuletzt kann auch ein etwaiges Risiko, eine Sache zu beschädigen, die nicht gebraucht, dem Zeitwert entsprechend, wiederbeschafft werden kann, nicht schlichtweg dem Geschädigten angelastet werden. Vielmehr trägt der Schädiger bei sachgerechter Beurteilung das Risiko eines außergewöhnlich hohen Wiederbeschaffungswerts. Eben der Schädiger ist schließlich in dieser Konstellation auch erheblich besser gestellt, wenn er lediglich den Zeitwert ersetzen muss ohne Rücksicht darauf, ob der Geschädigte den ursprünglichen Zustand damit wiederherstellen kann oder nicht. Es entstünde somit eine unbillige Begünstigung des Beklagten. Dieses Risiko kann daher, soweit es besteht, nur dem Beklagten als Schädiger angelastet werden.