Welche Bedeutung hat bei Messungen mit ES 3.0 die Fotolinie? Beim AG Büdingen führten Messungen mit Heckfotos, auf dem die Fotolinie nicht zu erkennen war (das Frontfoto wurde mit einer ungeeichten Kamera aufgenommen und nicht verwertet), zu mehreren Freisprüchen, u. a. in diesem Verfahren. Einen solchen Freispruch hat nun das OLG Frankfurt aufgehoben (Beschluss vom 21.10.2015, Az. 2 Ss-OWi 960/15). In erster Linie wegen zu knapper Urteilsgründe, allerdings wurde auch der Unverwertbarkeit solcher Messungen eine Absage erteilt: Da es sich um ein standardisiertes Messverfahren handele, komme es auf die Fotolinie und die weiteren Bedenken des Amtsgerichts überhaupt nicht an. Die Fotolinie sei nur dann von Relevanz für die Zuordnung des Geschwindigkeitswerts, wenn mehrere Fahrzeuge in Frage kommen, die den Wert hervorgerufen haben können.

In der Bußgeldsache

g e g e n

w e g e n  Zuwiderhandlung gegen die StVO

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Senat für Bußgeldsachen – durch den Einzelrichter auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Gießen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Büdingen vom 29. Juni 2015 am 21. Oktober 2015

gem. §§ 79, 80a OWiG  b e s c h l o s s e n :

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an das Amtsgericht Büdingen zurückverwiesen.

G r ü n d e :

Das Regierungspräsidium verhängte mit Bußgeldbescheid vom 02. September 2014 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 240,– €. Daneben ordnete das Regierungspräsidium gegen den Betroffenen ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat an.

Auf den hiergegen vom Betroffenen eingelegten Einspruch sprach das Amtsgericht Büdingen den Betroffenen mit dem angefochtenen Beschluss frei, weil die Messung nicht der der Gebrauchsanleitung des Herstellers entspreche und daher nicht verwertet werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Beschluss des Amtsgerichts genügt nicht den Anforderungen, die an die Gründe eines Beschlusses nach § 72 OWiG zu stellen sind, er war deshalb aufzuheben.

Die Begründung eines solchen Beschlusses hat im Wesentlichen der eines Urteils zu entsprechen (ständige Rechtsprechung des Senats; siehe etwa Beschl. v. 23. Oktober 2012 – 2 Ss-OWi 931/12; Beschl. v. 13. Januar 2012 – 2 Ss-OWi 707/11; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 72 Rdn. 63). Zwar unterliegen die Gründe eines Beschlusses in Bußgeldsachen – ebenso wie die Gründe eines Urteils in Bußgeldsachen (siehe insoweit BGHSt 39, 291; OLG Hamm NZV 2003, 295; Göhler, a.a.O., § 71 Rdn. 42) – keinen hohen Anforderungen. Sie müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die richtige Rechtsanwendung durch den Tatrichter anhand der Beschlussgründe nachprüfen kann.

Diesen Anforderungen wird die Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht gerecht.

Insoweit hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main in Zuschrift vom 05. Oktober 2015 unter anderem wie folgt ausgeführt:

„Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung bedarf es, wenn sich ein Gericht den Ausführungen eines Sachverständigen anschließt, einer verständlichen und in sich geschlossenen Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung; allein summarische Zusammenfassungen der vom Sachverständigen gewonnenen Ergebnisse sind deshalb nicht ausreichend (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.04.2012, 2 Ss-OWi 622/11-).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht, da auf das Gutachten nur auszugsweise oder lediglich unter Nennung der Blattzahlen Bezug genommen wird. Eine verständliche, in sich geschlossene Darstellung fehlt gänzlich.

Im Übrigen stellt das Tatgericht bei seiner Begründung in rechtsfehlerhafter Weise maßgeblich auf die Fotolinie und die Sichtbarkeit der beiden Vorderräder ab (BA S. 3). Messungen mittels des Messgerätes „ESO ES 3.0“ erfüllen jedoch die Anforderungen an ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren in der Form einer Lichtschrankenmessung, so dass, soweit es um die Zuordnung eines Fahrzeugs zu der Fotolinie bei der Messung geht, das Gericht nur dann entsprechende Feststellungen treffen muss, wenn tatsachenfundierte konkrete Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr oder Zuordnungszweifel bezogen auf das Fahrzeug des Betroffenen bestanden (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29. Januar 2013 – 2 Ss-OWi 963/12-). Wenn aber durch einen aufmerksamen Messbetrieb sichergestellt ist, dass nur ein Fahrzeug in Frage kommt, dem der Geschwindigkeitsmesswert zuzuordnen ist, entbehrt die  Fotolinie jeglicher Relevanz (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.04.2014 -2 Ss-OWi 325/14-). Dementsprechend geht die Annahme des Gerichts, die Messung sei stets nur dann korrekt, wenn die Fotolinie und die Vorderräder sichtbar und durch eine geeichte Kamera festgestellt worden sind, von einem falschen Prüfungsansatz aus.”

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat inhaltlich an.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Büdingen zurückzuverweisen. Für die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlass.