Durch diesen Beschluss des OLG Braunschweig (Beschluss vom 08.12.2015, Az. 1 Ss (Owi) 163/15), über den ich bereits im Zusammenhang mit der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung und des Verstoßes gegen das Handyverbot berichtet habe, wurde außerdem auch der Rechtsfolgenausspruch des amtsgerichtlichen Urteils bestätigt. Der Betroffene, der keine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen gemacht hat, wurde zu einer Geldbuße von 350 EUR verurteilt. Diese ergab sich aus der wegen Vorsatz verdoppelten Regelgeldbuße von 160 EUR, zu der noch 30 EUR wegen der Telefonbenutzung addiert wurden. Jüngere obergerichtlichen Entscheidungen halten mehr und mehr auch bei Bußgeldern oberhalb von 250 EUR genaue Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Betroffenen für entbehrlich. Das OLG bedient sich hier einer – auf den ersten Blick komplizierten – Berechnung, wonach bei zwei tateinheitlichen Bußgeldtatbeständen nähere Feststellungen nicht erofrderlich sind, wenn “die verhängte Geldbuße den höheren der für diese Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen Regelsätze – im Falle vorsätzlichen Handelns den gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV erhöhten – um nicht mehr als 10 Prozent überschreitet und der höhere der beiden Regelsätze um maximal 50 Prozent des niedrigeren Regelsatzes erhöht wurde.” Dadurch blieben dem Betroffenen schwerwiegendere Grundrechtseingriffe durch eine Befragung des Arbeitgebers, von Nachbarn oder die Durchsuchung seiner Wohnung erspart.

Die Bußgeldbemessung liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters. Ihre Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht hat sich darauf zu beschränken, ob der Tatrichter von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Juli 1995 – 5 Ss (OWi) 244/95 – (OWi) 99/95 I, NZV 1996, 78 m.w.N.). Das Amtsgericht hat sich hier an der für den Geschwindigkeitsverstoß vorgesehenen Regelgeldbuße von 160,00 Euro für den Fall fahrlässiger Begehung und gewöhnlicher Tatumstände orientiert, hat diese Geldbuße sodann wegen der vorsätzlichen Begehungsweise gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV verdoppelt und schließlich wegen des tateinheitlich begangenen verbotswidrigen Gebrauchs eines Mobil- bzw. Autotelefons, für das der zur Tatzeit gültige Bußgeldkatalog eine Regelgeldbuße von 60,00 Euro vorsah, um 30,00 Euro erhöht.

Das ist nicht zu beanstanden, obgleich das Amtsgericht keine eingehenden Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen hat.

Auch wenn ein Betroffener – wie vorliegend – keine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen macht, entbindet dies das Gericht zwar grundsätzlich nicht von der Amtspflicht, die notwendigen Feststellungen – beispielsweise durch Vernehmung des Arbeitgebers – zu treffen, wenn sie gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG von Bedeutung sein können (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 1 Ss (OWi) 26/14, juris, Rn. 12 m.z.w.N.).

Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt mittlerweile jedoch einige Einschränkungen dieses Grundsatzes zu. So ist inzwischen allgemein anerkannt, dass im Hinblick auf den in § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG festgeschriebenen Schwellenwert von 250,00 Euro eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse prinzipiell entbehrlich ist, wenn das Regelbußgeld diesen Betrag nicht übersteigt und keine Besonderheiten vorliegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08. Januar 2015 – III-3 RBs 354/14, juris, Rn. 14 m.w.N.). In Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (Beschluss vom 20. März 2012 – III-3 RBs 441/11) hat der Senat (Beschluss vom 20. Oktober – 1 Ss (Owi) 156/15, juris, Rn. 12) darüber hinaus im Bereich von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuletzt die Ansicht vertreten, dass auch bei Geldbußen über 250,00 Euro nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen entbehrlich sind, solange die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße verhängt wird und sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse außergewöhnlich gut oder schlecht sind (vgl. ebenfalls OLG Celle, Beschluss vom 01. Dezember 2014 – 321 SsBs 133/14 -, Nds. Rpfl. 2015, 135 f.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014, 2 Ss (OWi) 278/14, juris; KG, Beschluss vom 07. Januar 2014 – 3 Ws (B) 651/13162 Ss 136/13, juris, Rn. 10; OLG Jena, Beschluss vom 01. September 2011 – 1 Ss Bs 66/11, juris, Rn. 15). Dies gilt nach der genannten Rechtsprechung auch dann, wenn auf den für eine vorsätzliche Begehungsweise nach § 3 Abs. 4 a BKatV vorgesehenen Regelsatz erkannt wird (OLG Celle, a.a.O., im Anschluss an OLG Jena, a.a.O., Rn. 19 für Geldbußen bis 500,00 Euro). Denn die Bußgeldkatalogverordnung enthält gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV eine generelle Regelung für die Bemessung der Bußgelder im Falle vorsätzlichen Handelns; auch insoweit geht der Verordnungsgeber von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen aus und hat zu erkennen gegeben, dass er den festgeschriebenen Regelsatz unter diesen Bedingungen für angemessen erachtet. Es ist daher nicht erkennbar, warum in den Urteilsgründen zu solchen wirtschaftlichen Verhältnissen noch weitere Feststellungen erforderlich sein sollten, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eben nicht von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen ist (OLG Celle, a.a.O.; so explizit für die Verdoppelung der Geldbuße bei vorsätzlichem Handeln OLG Jena, a.a.O.). Schließlich soll eine nähere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen (zumindest) auch dann entbehrlich sein, wenn zwar nicht die Regelgeldbuße, sondern ein angemessen erhöhtes Bußgeld von weniger als 250,00 Euro verhängt wird und der Betroffene keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht, Anhaltspunkte für eine Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorliegen und eine weitere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Verzögerung der Entscheidung führen würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08. Januar 2015 – III-3 RBs 354/14, juris, Rn. 15).

Im Lichte dieser Rechtsprechung hält der Senat auch in der vorliegenden Konstellation, in der zwar ein den Schwellenwert von 250,00 Euro übersteigendes Bußgeld festgesetzt wurde, jedoch zwei tateinheitlich verwirklichte Ordnungswidrigkeitstatbestände die Grundlage für die Bußgeldmessung bilden, die verhängte Geldbuße den höheren der für diese Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen Regelsätze – im Falle vorsätzlichen Handelns den gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV erhöhten – um nicht mehr als 10 Prozent überschreitet und der höhere der beiden Regelsätze um maximal 50 Prozent des niedrigeren Regelsatzes erhöht wurde, einen Sachverhalt für gegeben, bei dem Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht allein wegen der Höhe der Geldbuße erforderlich sind. Denn (jedenfalls) auch in diesen Fällen beruht die Bemessung der nur geringfügig erhöhten Geldbuße letztlich im Wesentlichen auf der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und dem Vorwurf, der den Täter trifft (§ 17 Abs. 3 S.1 OWiG). Für die angenommene Erstreckung der dargestellten Rechtsprechung auf hier gegebene Fallkonstellation spricht zudem der Umstand, dass die andernfalls vom Tatgericht zu ergreifenden Aufklärungsmittel – wie etwa die Befragung des Arbeitgebers und der Nachbarn des Betroffenen oder die Durchsuchung seiner Wohnung nach Gehaltsunterlagen – schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirken würden, die angesichts der Bedeutung der Sache aber in der Regel als unverhältnismäßig erscheinen, jedoch letztlich nur zu vermeiden sein dürften, wenn man insoweit auf nähere Feststellungen des Tatrichters zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des diesbezüglich schweigenden Betroffenen verzichtet. Tatsachenfundierte Indizien für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen sind dem angegriffenen Urteil nicht zu entnehmen, sodass nach Vorgesagtem für das Amtsgericht keine Verpflichtung zu einer weiteren Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse bestand.