Norbert Kaiser, Wikimedia Commons

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Das Fahrzeug des Klägers befand sich in einer Parktasche auf dem Parkplatz eines Einkaufmarktes. Die Tür des Fahrzeugs wurde von innen durch die Zeugin geöffnet, die kein anderes Fahrzeug wahrgenommen hat. In diesem Moment kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Beklagten, die gerade dabei war, in die benachbarte Parktasche einfahren. Der Kläger als Halter des Fahrzeugs haftete zu 80%. Das unvorsichtige Öffnen der Fahrzeugtür sei auch auf einem Parkplatz als schwerer Verstoß zu werten; allerdings trete die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers nicht vollständig hinter dem Verschulden der Beklagten zurück (LG Saarbrücken, Urteil vom 18.12.2015, Az. 13 S 128/15).

1. Das Erstgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil der Unfallschaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden ist, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der unfallbeteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Das ist zutreffend und wird mit der Berufung nicht angegriffen.

2. Im Rahmen der danach gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Haftungsabwägung hat das Erstgericht mit Recht zu Lasten des Klägers einen Verstoß der Zeugin … gegen die beim Türöffnen gebotene Sorgfalt festgestellt.

a) Zutreffend und von der Berufung unangegriffen hat das Erstgericht angenommen, auf dem Parkplatz gelte die StVO. Die StVO regelt und lenkt den Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Öffentlich ist ein Verkehrsraum, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 – 4 StR 401/11, NZV 2012, 394; Kammerurteil vom 7. Mai 2010 – 13 S 14/10). Eröffnet der Betreiber eines Einkaufsmarktes – wie hier – einen dazugehörigen Parkplatz für die Allgemeinheit, so sind diese Voraussetzungen jedenfalls zu den Öffnungszeiten des Einkaufsmarktes unabhängig davon erfüllt, ob die Geltung der StVO durch eine vorhandene Beschilderung ausdrücklich angeordnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1985 – III ZR 53/84, VersR 1985, 835; BGH, Urteil vom 9. März 1961 – 4 StR 6/61, BGHSt 16, 7, 10; Kammerurteil vom 21. November 2014 – 13 S 132/14).

b) Wie das Erstgericht in der Sache ebenfalls zutreffend erkannt hat, findet § 14 Abs. 1 StVO auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung. Denn diese Vorschrift, die ein Höchstmaß an Sorgfalt von dem Aussteigenden verlangt, schützt den fließenden Verkehr (vgl. OLG Frankfurt OLGR 2009, 850 ff.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 14 Rn. 5; Kammer, Urteile vom 22. Februar 2013 – 13 S 202/12, NZV 2013, 594 und vom 23. Januar 2008 – 13 S 165/08; in der Sache auch OLG Karlsruhe VersR 2012, 875). Allerdings trifft den Aussteigenden auch auf Parkplätzen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt wird (vgl. Kammerurteil vom 23. Januar 2009 aaO; Hinweisbeschluss der Kammer vom 3. November 2014 – 13 S 140/14). Dabei können auch auf öffentlichen Parkplätzen die strengen Sorgfaltsmaßstäbe, die im fließenden Verkehr gelten, jedenfalls sinngemäß herangezogen werden, sofern sich in einem bestimmten Verkehrsverhalten die besondere Gefährlichkeit gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern niederschlagen kann. Aus diesem Grund hat auch der Ein- und Aussteigende auf öffentlichen Parkplätzen – anders als auf privaten Parkflächen, auf denen kein besonderer Fahrverkehr zu erwarten ist – besondere Vorsicht und Achtsamkeit walten zu lassen (vgl. Hinweisbeschluss der Kammer vom 26. Oktober 2015 – 13 S 143/15).

c) Wie das Erstgericht zu Recht und von der Berufung unangegriffen festgestellt hat, hat die Zeugin … gegen diese Pflicht verstoßen. Unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte sie den rückwärtigen Verkehr notfalls über den gesamten Vorgang des Türöffnens hinweg beobachten müssen. Dass sie diesen Anforderungen nicht genügt hat, ergibt sich schon daraus, dass sie das Beklagtenfahrzeug vorkollisionär nicht wahrgenommen hat.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Feststellung des Erstgerichts, ein Sorgfaltsverstoß der Erstbeklagten lasse sich nicht nachweisen.

a) Allerdings hat auch der Einparkende nach § 1 Abs. 2 StVO auf den neben seiner Parklücke befindlichen Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Dabei sind an die Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz in eine rechtwinklig zur Durchfahrtrichtung angeordnete Parklücke einparken will, keine geringeren Sorgfaltsanforderungen zu stellen als an den Fahrer oder Mitfahrer eines neben dieser Parklücke abgestellten weiteren Fahrzeugs beim Aussteigen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 2009, 3038). Insbesondere wenn der Einfahrende konkreten Anlass dafür hat, mit einem Türöffnen des bereits eingeparkten Fahrzeugs zu rechnen, muss er danach noch vorsichtiger als ohnehin schon geboten in die daneben liegende Parktasche einfahren (vgl. Hinweisbeschluss der Kammer vom 3. November 2014 – 13 S 140/14).

b) Danach durfte die Erstbeklagte hier zwar nur mit gesteigerter Vorsicht in die Parklücke einfahren. Da die Zeugin … in dem klägerischen Fahrzeug saß, musste die Erstbeklagte nämlich damit rechnen, dass diese die Tür öffnen würde. Zu Recht hat das Erstgericht jedoch nicht feststellen können, dass die Erstbeklagte gegen diese Pflicht verstoßen hat. Ausgehend von den unangegriffenen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen verbleibt hier die Möglichkeit, dass das Beklagtenfahrzeug mit dem Außenspiegel bereits an der Türhinterkante des klägerischen Fahrzeugs vorbeigefahren war, als es zur Kollision kam. Unter diesen Umständen kann aber nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass die Erstbeklagte angemessen langsam in die Parklücke eingefahren ist und die Tür erst geöffnet wurde, als die Erstbeklagte eine Kollision nicht mehr durch ein Abbremsen oder ein Warnzeichen hätte verhindern können. Dies fällt in die Beweislast des Klägers.

4. Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führt zu einer Haftungsverteilung von 80% zu 20% zulasten des Klägers. Denn der Verstoß der Zeugin … gegen die besonderen Pflichten beim Türöffnen wiegt schwer (Kammer, st. Rspr.; vgl. Urteil vom 29. Mai 2009 – 13 S 181/08 – und Hinweisbeschluss vom 3. November 2014 – 140/14). Allerdings tritt die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs unter den gegebenen Umständen nicht hinter diesen Verstoß zurück. Dass es beim Einfahren in eine Parklücke zu einer Kollision mit einer sich öffnenden Tür kommt, gehört zu den typischen, mit dem Betrieb des einfahrenden Fahrzeugs verbundenen Gefahren auf einem Parkplatz. Ein Zurücktreten dieser Betriebsgefahr kommt nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu Parkplatzunfällen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verschulden des Unfallgegners durch besondere Umstände erschwert ist (Kammer, Urteile vom 27. Mai 2011 – 13 S 25/11, Schaden-Praxis 2012, 66; vom 19. Oktober 2012 – 13 S 122/12, RuS 2013, 199; vom 7. Juni 2013 – 13 S 31/13, NJW-RR 2013, 1249 und vom 18. Juli 2014 – 13 S 75/14, NZV 2014, 572). Solche besonderen Umstände sind hier indes nicht nachgewiesen.