Joachim Müllerchen, Wikimedia Commons

Joachim Müllerchen, Wikimedia Commons

Dem Betroffenen wurde die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 34 km/h vorgeworfen. Das AG Zeitz stellte fest, dass für das Messgerät, das im Eigentum eines Privatunternehmens steht und an Verkehrsbehörden vermietet wird, keine Lebensakte geführt wird. 2014 sei das Gerät mit einer Gültigkeit bis Ende 2015 geeicht worden. Der Bußgeldbehörde sei aber völlig unbekannt, ob das Privatunternhemen zwischenzeitlich Reparaturen oder sonstige Änderungen an dem Gerät veranlasst hatte. Diese Auskunft führte zu einem Unbehagen des AG und nachfolgend des OLG Naumburg: Es liege nahe, dass auch Behörden, die Messgeräte von Privatunternehmen nutzen, eine ordnungsgemäße Dokumentation von Reparaturen – wozu Messgeräteverwender ohnehin nach dem Mess- und Eichgesetz verpflichtet seien – sicherstellen müssen. Dies könne in einer Lebensakte oder auf andere Weise erfolgen. Im vorliegenden Fall könne nicht ohne Weiteres von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden. Das AG könne allerdings nicht einfach die Messwerttoleranz erhöhen, sondern müsse sich um Zeugenaussagen oder Unterlagen zum Messgerät bemühen. Auch eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde komme in Betracht (OLG Naumburg, Beschluss vom 09.12.2015, Az. 2 Ws 221/15).

I. Der Betroffenen liegt zur Last, am 12. November 2014 um 8:21 Uhr vor der Feuerwehr auf der Hauptstraße in Z. OT N. in Richtung H. als Führerin eines Pkw innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 34 km/h überschritten zu haben. Der Messwert betrug 67 km/h, nach Vornahme des Toleranzabzugs ging die Bußgeldbehörde von einer Geschwindigkeit von 64 km/h aus. Sie erließ deswegen am 23. Januar 2015 einen Bußgeldbescheid über eine Geldbuße von 160,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat. Auf den Einspruch der Betroffenen hat das Amtsgericht wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 80,00 € verhängt. Es hat festgestellt, dass die Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h lediglich um 23 km/h überschritten hat, weil von dem Messwert von 67 km/h eine Toleranz von 20 % abzuziehen sei.

Zur Begründung des Toleranzabzugs ist ausgeführt:

Die Messung wurde mit einem Überwachungsgerät vom Typ T. durchgeführt, das der Firma G. GmbH gehörte. Das Gerät war am 2. Juli 2014 mit einer Gültigkeit bis Ende 2015 geeicht worden. Es gibt keine Lebensakte über das Gerät. Die Stadt Z., die das Gerät gemietet hatte, kann keine Angaben darüber machen, ob Reparaturen an dem Gerät nach der Eichung durchgeführt worden sind. Weil keine Lebensakte existiert und die Kommune keine Auskünfte zu Reparaturen etc. erteilen konnte, sei die Gültigkeit der Eichung zweifelhaft. Zu Gunsten der Betroffenen sei daher von einer erloschenen Eichgültigkeit auszugehen, der durch einen Toleranzabzug in Höhe von 20 v. H. des abgelesenen Tachowerts Rechnung zu tragen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Sie vertritt die Auffassung, die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung werde durch die Eichordnung gewährleistet. Da es keine Lebensakte gebe, könne der Verteidiger insoweit auch keine Einsicht erhalten. Das Amtsgericht hätte auch hier von einem standarisierten Messverfahren ausgehen müssen.

Die Staatsanwaltschaft beantragt, gegen die Betroffene wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h eine Geldbuße von 160,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, zu erkennen, wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg, das Urteil des Amtsgerichts hat keinen Bestand.

Allerdings ist entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht ohne weitere Ermittlungen davon auszugehen, die hier vorgenommene Messung sei in einem standardisierten Verfahren gewonnen worden. Allein die Tatsache, dass die Eichsiegel bei der Messung unversehrt waren, macht die Prüfung, ob an dem Gerät nach der Eichung Reparaturen vorgenommen worden sind, nicht entbehrlich (vgl. Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl., Rn 100 zu § 5). Dem Amtsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass die Frage, ob und wenn ja, welche Reparaturen nach der Eichung an dem Messgerät durchgeführt worden sind, jedenfalls dann nicht offen bleiben kann, wenn der Betroffene bzw. der Verteidiger insoweit Aufklärung für erforderlich halten.

Der Senat hat indes nicht zu entscheiden, welche rechtlichen Folgen die Unaufklärbarkeit dieser Fragen hätte. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist nämlich davon auszugehen, dass eine Auskunft der Eigentümerin des Messgeräts bzw. die Vernehmung eines Mitarbeiters die „Reparaturfrage“ klären kann. Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt: „Dass eine private, auf Gewinnerzielung orientierte Gesellschaft, die zahlreiche Geschwindigkeitsmessgeräte vermietet, diesbezüglich nicht durch – ohnehin nicht bekannte – Zeugen glaubhafte Angaben machen kann, wenn sie keine Geräteakten führt, liegt auf der Hand.“ Das sieht der Senat anders.

Die Firma G. GmbH ist gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 Mess- und Eichgesetz verpflichtet, Nachweise über Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe am Messgerät herzustellen und aufzubewahren. Das muss nicht in einer Lebensakte geschehen, sondern kann auf andere Weise erfolgen. Selbst wenn die Firma entgegen dieser Verpflichtung keine entsprechenden Unterlagen hergestellt und aufbewahrt hat, ist zu erwarten, dass entsprechende Vorgänge in anderer Weise dokumentiert sind. Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass das Amtsgericht im Rahmen der Aufklärungspflicht angehalten ist, sich um entsprechende Unterlagen bzw. Zeugenaussagen zu bemühen.

Der Senat sieht Anlass zu bemerken:

Er teilt das im Urteil angedeutete Unbehagen des Amtsgerichts über die sehr dürftige Auskunft der Stadt Z. vom 25. März 2015 (Bl. 25 d. A.). Entschließen sich die Überwachungsbehörden, Private bzw. Geräte Privater für Verkehrsüberwachungen heranzuziehen, liegt es nahe, eine Beauftragung von der ordnungsgemäßen Dokumentation von Reparaturen etc. an den Geräten abhängig zu machen. Der bloße Verweis auf die Unversehrtheit der Sicherungsmarken reicht jedenfalls nicht aus.

Hält das Gericht die Klärung der Frage, ob das Gerät nach der Eichung repariert oder sonst- wie verändert worden ist, für erforderlich, kann es erwarten, dass diese Frage durch die Bußgeldbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Ermittlungen durch Beifügen von Dokumenten bzw. Zeugenvernehmungen geklärt worden ist. Ist das nicht der Fall, liegt es nahe, die Sache gemäß § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen.