Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, als Fahrzeugführer ein Mobiltelefon benutzt zu haben. Sein Verteidiger beantragte zum Beweis der Tatsache, dass der Betroffene kein Telefon in der Hand hielt und benutzte, die Vernehmung des Schülerpraktikanten eines Polizeireviers. Das AG Dessau-Roßlau entschied zunächst nicht über den Antrag und lehnte ihn erst im Urteil ab. Dies verletzte, so das OLG Naumburg, das rechtliche Gehör. Dem Betroffenen wurde die Möglichkeit genommen, durch seinen Verteidiger zur Ablehnung des Antrags Stellung zu nehmen, was ihm bei einer früheren Entscheidung möglich gewesen wäre. Zurückverwiesen wurde die Sache wegen, so das OLG, wiederholter Gehörsverstöße der Vorinstanz an das AG Zerbst (OLG Naumburg, Beschluss vom 03.11.2015, Az. 2 Ws 217/15). Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass ein Urteil des AG Dessau-Roßlau wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufgehoben wird (vgl. hier, hier, hier und – mit sehr deutlicher Rüge  – hier), was auch dem Kollegen Burhoff aufgefallen ist. Man fragt sich also: Was ist beim AG Dessau-Roßlau los?

OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

BESCHLUSS

2 Ws 217/15 OLG Naumburg
13 OWi 220/15 AG Dessau-Roßlau

In der Bußgeldsache

gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Naumburg

am 3. November 2015

durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter

b e s c h l o s s e n :

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 6. August 2015 wird wegen Versagung des rechtlichen Gehörs zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Dessau-Roßlau mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Zerbst zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Dessau-Roßlau hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 6. August 2015 eine Geldbuße von 100,00 € wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Führer eines Kraftfahrzeuges verhängt.

Dagegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der eine u. a. eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das Urteil des Amtsgerichts Dessau-Roßlau aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Amtsgericht zu verweisen.

II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig gestellt, form- und fristgerecht begründet und hat in der Sache Erfolg.

Da die verhängte Geldbuße nicht mehr als 100,00 € beträgt, richten sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur zur Fortbildung des materiellen Rechts zuzulassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG i. V. m. § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG) oder, wenn das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG i. V. m. § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG).

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen durch das Amtsgericht Dessau-Roßlau zuzulassen und auch begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift hierzu zutreffend ausgeführt:

„Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch Nichtbescheidung des in der Sitzung vom 6. August 2015 gestellten Beweisantrages des Betroffenen ist in der vorgeschriebenen Form erhoben (§ 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Die Rüge legt ohne Bezugnahmen die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so ausführlich dar, dass es dem Rechtsbeschwerdegericht bereits aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift möglich ist, nachzuprüfen, ob der behauptete Verfahrensmangel besteht und das Urteil hierauf beruht.

Die Rüge hat in der Sache auch Erfolg. Das Amtsgericht Dessau-Roßlau hat bei seiner Entscheidung vom 6. August 2015 den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist gegeben, wenn dem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihn benachteiligenden Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 80 Rn. 16a).

Ausweislich der Anlage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll beantragte der Verteidiger zum Beweis der Tatsache, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt kein Mobiltelefon in der rechten Hand hielt und ein solches nicht benutzte, die Vernehmung des Schülerpraktikanten J. Diesen Antrag hat das Amtsgericht in unzulässiger Weise erst im Urteil abgelehnt.

Damit war dem Betroffenen die Möglichkeit abgeschnitten, durch seinen Verteidiger zu der Ablehnung der beantragten Einvernahme des weiteren Tatzeugen Stellung zu nehmen. Insbesondere war er daran gehindert vorzutragen, dass beim Einsatz eines Schülerpraktikanten ein entsprechender Praktikumsvertrag bei der einsetzenden Dienststelle vorzuliegen hat und mithin über die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt/… – Polizeirevier … – die ladungsfähige Anschrift des Zeugen J. auf diesem Wege ermittelbar ist.

Dieser Vortrag war unter Verstoß gegen das Prozessrecht und die Grundsätze des fairen Verfahrens dem Betroffenen abgeschnitten und hierdurch rechtliches Gehör verletzt. Die Schwere des Verstoßes gebietet die Nachprüfung und Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, zumal das Amtsgericht in unmittelbarer Vergangenheit bereits in gleicher Art und Weise verfahren ist.“

Die Zurückverweisungsentscheidung folgt aus § 79 Abs. 6 OWiG. Aufgrund der wiederholten Verstöße gegen das Recht auf rechtliches Gehör durch das Amtsgericht Dessau-Roßlau will der Senat ausschließen, dass dieses Gericht erneut mit der Entscheidung in dieser Sache befasst wird. Es hat sich daher für eine Zurückverweisung an das Amtsgericht Zerbst entscheiden.