Gegen den Betroffenen erging ein Bußgeldbescheid wegen eines fahrlässigen Verkehrsverstoßes. In der Hauptverhandlung auf Grund seines Einspruchs beschränkte er diesen nach Abschluss der Beweisaufnahme auf den Rechtsfolgenausspruch (sog. horizontale Beschränkung). Das AG hielt dies für unzulässig und verurteilte wegen eines vorsätzlichen Verstoßes. Das OLG Oldenburg meint “geht doch” und zwar auch noch nach der Beweisaufnahme, selbst wenn der gewünschte Effekt der Gerichtsentlastung dadurch relativiert wird, dass das AG zunächst eine volle Beweisaufnahme durchführen musste (Beschluss vom 07.03.2016, Az. 2 Ss (OWi) 55/16)

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 30.11.2015 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet verworfen, dass der Betroffene wegen der fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km/h um 56 km/h zu einer Geldbuße von 240,00 € verurteilt wird und dem Betroffenen für die Dauer eines Monats verboten wird, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeglicher Art zu führen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Delmenhorst hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit (56 km/h außerorts) zu einer Geldbuße von 480,00 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot ausgesprochen, nachdem die Stadt Delmenhorst in ihrem Bußgeldbescheid unter Bezugnahme u.a. auf Ziffer 11.3.8. BKat eine Geldbuße von 240,00 € verhängt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet hatte.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 05.08.2015 mit einem Krad …, amtl. Kennzeichen …, die … bzw. … in stadteinwärtige Richtung mit einer Geschwindigkeit von 106 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkt war. Dabei handelte er vorsätzlich.

Mit seiner Rechtsbeschwerde erhebt der Betroffene die Sachrüge sowie die Rüge formellen Rechts. Er begehrt die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts. Insbesondere macht er geltend, den Einspruch nach der Beweisaufnahme auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt zu haben, so dass eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehung nicht mehr habe erfolgen dürfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, dass der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 240,00 € verurteilt wird und das Fahrverbot aufrecht erhalten bleibt.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG) Rechtsbeschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. §§ 341, 344, 345 StPO), mithin zulässig.

Das Rechtsmittel führt zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils auf der Rechtsfolgenseite.

Der Betroffene hat den Einspruch entgegen der Auffassung des Amtsgerichts wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Die sog. horizontale Beschränkung ist nach der Neufassung des § 67 Abs. 2 OWiG vom 26.01.1998 grundsätzlich zulässig. Insbesondere ist auch eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht (allg. Meinung – vgl. statt vieler sowie m.w.N. OLG Bamberg NStZ-RR 2008, 119; KG NZV 2002, 466; BayObLG NZV 2000, 50/51;). Ist dies der Fall, steht der Wirksamkeit der Beschränkung nicht entgegen, dass der Bußgeldbescheid lediglich keine Angaben zur Schuldform enthält, sofern die Verfolgungsbehörde ihrer Tatahndung offensichtlich die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zugrunde gelegt hat. Denn die Beträge des Bußgeldkatalogs, an den die Behörde grundsätzlich gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus (vgl. § 1 Abs. 2 BKatV). Setzt die Verwaltungsbehörde für einen dem Katalog entsprechenden Tatbestand ohne Weiteres die dort vorgesehene Regelgeldbuße fest oder legt sie diese bei der Verwirklichung mehrerer Tatbestände ihrer Entscheidung zugrunde, gibt sie damit zu erkennen, dass sie dem Betroffenen (lediglich) fahrlässiges Handeln zur Last legt. Auch das Amtsgericht hat daher in den Fällen der Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch von fahrlässiger Begehungsweise auszugehen und nur noch zu prüfen, welche Ahndung für das fahrlässige Verhalten tat- und schuldangemessen ist (vgl. OLG Bamberg a.a.O.; OLG Rostock, Beschluss vom 16. August 2001 – 2 Ss (OWi) 158/01 I 110/01 –, juris Rn.22 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat die Verwaltungsbehörde sich auf Ziffer 11.3.8. BKat bezogen. Die Regelbuße für die fahrlässige Begehungsform liegt bei 240,00 €. Weil der Bescheid im Übrigen den Anforderungen des § 66 Abs.1 OWiG gerecht wird, war nach den aufgezeigten Grundsätzen eine horizontale Beschränkung des Einspruchs mit der Konsequenz möglich, dass das Amtsgericht von einer fahrlässigen Begehung auszugehen hatte.

Soweit das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass die Möglichkeit der Einspruchsbeschränkung dadurch eingeschränkt ist, dass die Beweisaufnahme zu den tatsächlichen Feststellungen im Zeitpunkt der Einspruchsbeschränkung bereits abgeschlossen war und auf Grund deren Ergebnis eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes geboten gewesen wäre, ist dies nicht zutreffend.

Die mit der Änderung des § 67 Abs. 2 OWiG erweiterte Möglichkeit der Einspruchsbeschränkung verfolgte die Ziele der Verfahrensvereinfachung sowie der Entlastung der Gerichte (BT-Drs. 13/5418 S. 2, 7). In erster Linie sollte damit den Erfahrungen der Praxis Rechnung getragen werden, dass gerade in Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die den Großteil der Bußgeldsachen ausmachen, der zugrunde liegende Verkehrsverstoß zwar häufig eingeräumt wird, der Betroffene jedoch eine andere Sanktion erreichen will. Insbesondere geht es häufig um die Vermeidung der Eintragung von Punkten nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem oder aber um die Verhinderung der Verhängung eines Fahrverbotes. Nach der vor dem OWiGÄndG geltenden Gesetzeslage musste in diesen Fällen gleichwohl ein unbeschränkter Einspruch eingelegt und der Vorwurf daraufhin im gerichtlichen Verfahren in vollem Umfang nachgeprüft, insbesondere also eine vollständige Beweisaufnahme zur Sache durchgeführt werden. Dieses Verfahren kann mit der geschaffenen Zulässigkeit der horizontalen Beschränkung deutlich gestrafft und vereinfacht werden. Denn wenn die Feststellungen des Bußgeldbescheids rechtskräftig feststehen, muss vor Gericht nur noch zum Rechtsfolgenausspruch verhandelt und entschieden werden (vgl. OLG Rostock a.a.O.).

Dem Amtsgericht ist zuzugeben, dass der gewünschte Effekt der Gerichtsentlastung weniger stark durchschlägt, sofern die Beschränkung des Einspruchs erst nach der Beweisaufnahme erfolgt. Allerdings entfällt dieser Effekt nicht vollständig. Denn infolge der Beschränkung des Einspruchs verringert sich sowohl der Aufwand des Amtsgerichts im Rahmen der Urteilsabfassung als auch der Prüfungsumfang des Rechtsbeschwerdebeschwerdegerichts.

Darüber hinaus erscheint es grundsätzlich nicht möglich, die Einspruchsbeschränkung vom Abschluss der Beweisaufnahme abhängig zu machen, weil es zu diesem Zeitpunkt an bindenden Feststellungen zum Tathergang noch fehlt. Solange dies so ist, bleibt die Möglichkeit des Betroffenen bestehen, dem Amtsgericht die Prüfungskompetenz für diese Feststellungen zu entziehen. Das Amtsgericht muss in dieser Konstellation von der im Bußgeldbescheid – zumindest konkludent – zum Ausdruck kommenden Tatvariante ausgehen.

Das ist demgegenüber anders, wenn das Rechtsbeschwerdegericht in einem vorangegangenen Verfahren des Amtsgerichts dessen tatsächliche Feststellungen aufrecht erhalten hat. Sofern die in dem nachgehenden Verfahren vor dem Amtsgericht erfolgende Beschränkung des Einspruchs zu einem unauflösbaren Widerspruch mit den infolge der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts feststehenden Feststellungen führt, muss die Beschränkung des Einspruchs als unwirksam erachtet werden (vgl. Anmerkung Meyer-Goßner zu OLG Zweibrücken NStZ 2010, 459 (460f)). Der Hintergrund dafür ist allerdings – und das ist der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall -, dass die durch das Rechtsbeschwerdegericht aufrecht erhaltenen Feststellungen für das weitere Verfahren verbindlich sind und wegen ihrer innerprozessualen Bindungswirkung nicht mehr in Frage gestellt werden dürfen (Meyer-Goßner a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund hat der Senat das angefochtene Urteil zugunsten des Betroffenen im Schuldspruch hinsichtlich der Schuldform abgeändert. Er hat hinsichtlich der Geldbuße eine eigene Entscheidung gem. § 79 Abs.6 OWiG getroffen, weil kein Anlass bestand, gegen den Betroffenen eine höhere als die im Bußgeldbescheid vorgesehene Regelgeldbuße in Höhe von 240,00 € (Nr. 11.3.8 der Tabelle 1 c zum BKat) festzusetzen.

In Bezug auf das Fahrverbot lässt die Nachprüfung des Urteils aus den von der Generalstaatsanwaltschaft dargelegten Erwägungen weder im Verfahren noch in der Sache einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.

Das Fahrverbot ist mit dieser Entscheidung rechtskräftig. Der Führerschein ist spätestens am 07. Juli 2016 bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg als der zuständigen Vollstreckungsbehörde in amtliche Verwahrung zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolges der Rechtsbeschwerde hielt der Senat es nicht für unbillig, den Betroffenen mit den Kosten zu belasten.