Der Kläger ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er besuchte im Jahr 2012 ein Seminar “Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik”. Die beklagte Rechtsanwaltskammer stellte sich auf den Standpunkt, dass das Seminar allgemein gehalten und ohne Bezug zum Fachgebiet Verkehrsrecht sei. Der Bayerische Anwaltsgerichtshof wies eine Feststellungsklage des Klägers ab, da das Seminar trotz Bezügen zum Verkehrsrecht nur Grundkenntnisse allgemeiner Art vermittelt habe. Der BGH hingegen hat das Seminar als anwaltliche Fortbildungsveranstaltung für das Fachgebiet Verkehrsrecht anerkannt. Gerade im Verkehrsrecht sei die Sachverhaltsermittlung durch Zeugenbeweis von besonderer Bedeutung. Unschädlich sei, dass auch andere Fachanwälte vom Besuch ei­nes der­ar­ti­gen Seminars pro­fi­tie­ren könnten (BGH, Urteil vom 18.07.2016 – AnwZ (Brfg) 46/13).

b) Der Antrag ist auch begründet. Das Seminar vom 22. Juni 2012 genügte den Anforderungen, die an eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung auf dem Fachgebiet “Verkehrsrecht” zu stellen sind.

aa) Die hier maßgebliche Vorschrift des § 15 Satz 1 FAO in der Fassung vom 1. Juli 2009 sah vor, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen hatte. Die Beifügung “auf diesem Gebiet” kann sprachlich auch allein auf die Fortbildungsform des wissenschaftlichen Publizierens bezogen werden. Zwingend ist dies jedoch nicht. In der ersten Fassung des § 15 FAO vom 1. September 1999 hieß es, der eine Fachanwaltsbezeichnung führende Rechtsanwalt müsse “auf diesem Fachgebiet” jährlich an einer Fortbildungsveranstaltung teilnehmen. Durch die Einfügung des wissenschaftlichen Publizierens als weitere Fortbildungsart durch § 15 FAO in der Fassung vom 1. Januar 2003, die zu der geschilderten sprachlichen Unklarheit geführt hat, sollten jedoch die Anforderungen an die “Fortbildungsveranstaltung” nicht verändert werden; jedenfalls gibt es hierfür keine Anhaltspunkte (vgl. Möller, NJW 2014, 2758, 2760). Die seit dem 1. Januar 2015 geltende Fassung des § 15 sieht dementsprechend vor, dass der Fachanwalt an “fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen” hörend oder dozierend teilzunehmen habe. Dass die Fortbildungsveranstaltung i. S. v. § 15 FAO einen Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aufweisen muss, wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen. Welche Bereiche zum Fachgebiet “Verkehrsrecht” gehörten, ist der Vorschrift des § 14d FAO zu entnehmen.

Weitere Anforderungen an eine den Anforderungen des § 15 FAO genügende Fortbildungsveranstaltung ergeben sich aus dem Zusammenspiel des § 15 FAO mit anderen Vorschriften der Fachanwaltsordnung und der Bundesrechtsanwaltsordnung. Auszugehen ist von § 43c Abs. 1 BRAO. Nach dieser Vorschrift wird die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, nur einem solchen Rechtsanwalt verliehen, der besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben hat. Die satzungsrechtlichen Vorschriften, welche die Voraussetzungen der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnungen betreffen (§§ 2 ff. FAO), nehmen diese Formulierung auf. Der Anwärter muss danach besondere theoretische Kenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet nachweisen (§ 4 FAO) und besondere praktische Erfahrungen auf ihm gesammelt haben (§ 6 FAO).

An die Pflichtfortbildung können keine geringeren Anforderungen gestellt werden. Sie muss besondere Kenntnisse vermitteln. Es kann nicht darum gehen, den (erneuten) Erwerb von Grundlagenkenntnissen nachzuweisen, die bei jedem Anwalt vorausgesetzt werden können. Die Fortbildung nach § 15 FAO dient vielmehr dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung der bereits vorhandenen besonderen Kenntnisse des Fachanwalts (vgl. Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 15 FAO Rn. 4a; Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 14). Nur diese Auslegung wird auch dem Ziel des § 15 FAO gerecht. Die Vorschrift soll erreichen, dass der Fachanwalt nicht nur bei Erwerb des Fachanwaltstitels über besondere theoretische Kenntnisse und praktischen Erfahrungen auf seinem Fachgebiet verfügt, sondern auch später und dauerhaft. Sie dient damit der Qualitätssicherung (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 – AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945, 1946). Dadurch wird das rechtsuchende Publikum geschützt, welches auf den Fachanwaltstitel vertraut, ohne zu wissen, wann dieser verliehen worden ist. Zugleich soll ein einheitlicher Qualitätsstandard aller Fachanwälte gesichert werden (Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 8).

bb) Das Seminar, welches der Kläger am 22. Juni 2012 besucht hat, entsprach diesen Anforderungen.

(1) Das Seminar kann den Bereichen “Verkehrszivilrecht” (§ 14d Nr. 1 FAO), “Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht” (§ 14d Nr. 3 FAO) und “Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung” (§ 14d Nr. 5 FAO) des Fachgebiets “Verkehrsrecht” zugeordnet werden. Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik können allerdings durchaus auch in anderen Fachgebieten von Bedeutung sein. Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass jeder forensisch tätige Rechtsanwalt vom Besuch eines derartigen Seminars profitieren könnte.

Dieser Umstand allein schließt die Eignung des Seminars zur Pflichtfortbildung eines Fachanwalts jedoch nicht aus. Fachanwaltsfortbildungen dürfen mehr als ein Fachgebiet betreffen, wenn sie Fachwissen behandeln, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist (vgl. etwa Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl. Rn. 1348; Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 5. Aufl., § 15 FAO Rn. 60). Die besondere Bedeutung der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik für das Fachgebiet “Verkehrsrecht” erschließt sich ohne weiteres daraus, dass sich die Ereignisse, welchen den Fällen dieses Fachgebiets zugrunde liegen, durchweg in der Öffentlichkeit, nämlich im Straßenverkehr abspielen und überdurchschnittlich häufig von zunächst unbeteiligten Personen, die dann als Zeugen in Betracht kommen, wahrgenommen werden. In diesem Punkt unterscheidet sich das Verkehrsrecht von anderen Fachgebieten, etwa denjenigen, in denen es um Vertragsrecht geht; hier steht häufig eher die Auslegung der Verträge im Zentrum des Rechtsstreits. Einer der Schwerpunkte des fraglichen Seminars lag folgerichtig auf dem Gebiet des Verkehrsrechts. Der Referent hat in seiner als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. August 2013 überreichten Stellungnahme erklärt, vor allem Fälle und Beispiele aus den Bereichen Straf-, Verkehrs-, Familien-, Versicherungs- und Baurecht behandelt zu haben. Insofern handelt es sich auch nicht um ein bloßes Querschnittsseminar ohne spezifischen Bezug zum Verkehrsrecht.

(2) Entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs vermittelte das Seminar auch nicht nur Grundkenntnisse, die bei jedem forensisch tätigen Rechtsanwalt vorausgesetzt werden können. Die ausweislich der überreichten Unterlagen und der ergänzenden Stellungnahme des Referenten im Seminar vermittelten Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik sind von den im Studium und Referendariat vermittelten juristischen Grundkenntnissen zu unterscheiden, welche eine Fachanwaltsbezeichnung nicht zu rechtfertigen vermögen. Die schriftlichen Unterlagen, welche der Anwaltsgerichtshof für unzulänglich hielt, enthielten den Angaben des Referenten zufolge zudem nur das Grundlagenwissen, welches im Seminar vorausgesetzt und auf welchem aufgebaut wurde. Dass ein Skript von 29 Seiten nicht ausreicht, um ein sechsstündiges Seminar zu bestreiten, liegt auf der Hand. Ein Rechtsanwalt, der die Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik beherrscht, wird überdies den auf diesem Gebiet nicht besonders geschulten Rechtsanwälten regelmäßig überlegen sein. Dies rechtfertigt jedenfalls dann die (weitere) Führung einer Fachanwaltsbezeichnung, wenn es – wie hier – um einen Fachbereich geht, in denen die Sachverhaltsermittlung durch Zeugenbeweis typischerweise von besonderer Bedeutung ist. Dass die hier in Frage stehende Fortbildung nicht alle Bereiche des Fachgebiets “Verkehrsrecht” ausschöpft, steht ihrer Anerkennung nicht entgegen.