Dem Betroffenen wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 23 km/h vorgeworfen. Verwendet wurde ein ESO ES 3.0-Messgerät. Zum Beweis der Tatsache, “dass eine fehlerhafte Messung vorliegt“, hat der Betroffene die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Dazu sollte die Firma ESO im Vorfeld sämtliche Algorithmen und Schlüssel herausgeben. Beides wurde vom Amtsgericht mangels Anhaltspunkten für eine Fehlmessung abgelehnt; das OLG hat dies hingenommen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 27.01.2016, Az. Ss RS 3/2016 (3/16 OWi)).

Der Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17. November 2015 wird kostenpflichtig als unbegründet

v e r w o r f e n.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht gegen die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 23 km/h eine Geldbuße in Höhe von 70,– Euro festgesetzt. Hiergegen hat die Betroffene mit Telefaxschreiben ihrer Verteidigerin vom 18. November 2015, bei Gericht eingegangen am selben Tag, die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Nach am 25. November 2015 an sie erfolgter Zustellung des schriftlichen Urteils hat die Verteidigerin mit am 17. Dezember 2015 beim Amtsgericht eingegangenem Telefaxschreiben vom selben Tag die Rechtsbeschwerde begründet. Sie rügt – insoweit unausgeführt – die Verletzung sachlichen Rechts sowie die Versagung des rechtlichen Gehörs durch die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags.

II.

Dem form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 80 Abs. 3 S. 1 und 3, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO) musste der Erfolg versagt bleiben, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.

Insoweit hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 22. Januar 2016 zu dem Zulassungsantrag Folgendes ausgeführt:

„1.  Da die verhängte Geldbuße nicht mehr als 100 € beträgt, richten sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit den so genannten weniger bedeutsamen Fällen nur zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 OWiG) oder, wenn das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Demgegenüber ist eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Ermöglichung der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder wegen der Rüge der Verletzung formellen Rechts gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ausgeschlossen.

2. Soweit die Betroffene unausgeführt  die Verletzung materiellen Rechts rügt, kann sie damit keinen Erfolg haben. Denn der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 1.Alt. OWiG) kommt nur bei Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig, d.h. durch Aufstellen abstrakt-genereller Regelungen von praktischer Bedeutung sind (Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 80 Rn. 3 m.w.N.). Er ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht gegeben, wenn die sich stellenden Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt sind, und/oder, wenn die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht entscheidend von den konkreten Gestaltungen des Einzelfalles abhängt (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 17.02.2011  – Ss (Z) 206/11 <17/11> – m.w.N.). Selbst  eine falsche Entscheidung im Einzelfall, für die es vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte gibt, rechtfertigt für sich alleine die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts noch nicht, weil die Vorschrift nicht der Einzelfallgerechtigkeit dient (Senatsbeschluss wie vor und Beschlüsse vom 28.02.2007 – Ss (Z) 204/07 <10/07> – und vom 21.01.2008 – Ss (Z) 203/08 <6/08> -). Daneben muss die Nachprüfung im Sinne eines Sich-Aufdrängens geboten sein, die Zulassung zur Überprüfung der Anwendung des Rechts also nicht nur nahe liegen, vertretbar, sinnvoll oder wünschenswert sein (Göhler-Seitz, a.a.O., § 80 Rn. 15; KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rn. 39).

Dieser Zulassungsgrund ist hier ersichtlich nicht gegeben.

Bei dem vorliegend verwendeten Messverfahren Eso ES 3.0 handelt es sich, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, um ein standardisiertes Messverfahren (z.B. Beschluss des Senats vom 27.03.2012 – Ss (Z) 213/2012 <22/12 OWi> – m.w.N.) Der Tatrichter ist daher ohne konkreten Anlass nicht verpflichtet, Erörterungen über dessen Zuverlässigkeit anzustellen und im Einzelnen darzulegen, dass lediglich theoretisch denkbare Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (Senatsbeschlüsse vom 26.07.2011 – Ss (B) 60/2011 <71/11> -, 16.09.2011 – Ss (Z) 234/2011 <105/11> -, 16.10.2013 – Ss (Z) 235/2013 <78/13 OWi> – und  20.10.2015 – Ss RS 25/2015 <43/15 OWi>). Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Geschwindigkeitsüberschreitungen bzw. –messungen und deren Darstellung im Urteil aufzustellen, da diese Fragen in Rechtsprechung und Literatur ausgetragen sind (vgl. Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 3 StVO Rn. 56b, 57, 61 m.w.N, z.B. Beschlüsse des Senats vom 16.10.2013 – Ss (Z) 235/2013 <78/13 OWi> – und  20.10.2015 – Ss RS 25/2015 <43/15 OWi> -).

3. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht mit Blick auf die Ablehnung des Beweisantrages durch das Amtsgericht wegen Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) zuzulassen.

a.  Nach ständiger obergerichtlicher, vom Senat geteilter Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschlüsse vom 11.08.2010 – Ss (Z) 234/10 <110/10> -, 17.12.2010 -Ss (Z) 246/10 <159/10> -, 17.01.2011 – Ss (Z) 202/11 <4/11> und vom 04.08.2011 – Ss (Z) 224/11 <85/11> -) kommt dieser Zulassungsgrund nur dann in Betracht, wenn Art. 103 Abs. 1 GG verletzt ist, wobei die Aufhebung des Urteils allerdings nur dann geboten ist, wenn es nicht zweifelhaft erscheint, dass das Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde, die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs sich mithin aufdrängt (vgl. zum Ganzen weiter auch Senatsbeschlüsse vom 12.12.1997 – Ss (Z) 231/97 -, 25.08.1999 – Ss (Z) 229/99 -, 07.01.2000 – Ss (Z) 239/99 -, 05.09.2003 – Ss (Z) 217/2003 -, 22.03.2006 – Ss (Z) 203/2206 -, 12.02.2007 – Ss (Z) 223/07 <77/07> -, 25.03.2008 – Ss (Z) 208/08 <20/08> – und vom 06.04.2010 – Ss (Z) 222/10 <52/10> – jeweils m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass Art. 103 Abs. 1 GG die Mindestgarantie des rechtlichen Gehörs enthält, die über die Vorschriften des einfachen Prozessrechts hinausgehen kann; auf der anderen Seite kann die Verletzung verfahrensprozessualer, über Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehender Normen nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht geltend gemacht werden (Rebmann/Roth /Hermann, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rn. 7; Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 80 Rn. 16a).

b.  Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (z.B. BVerfGE 11, 218, 220; 83, 24, 35; BVerfG NVwZ-Beil. 1998 1, 2). Dabei ist im Regelfall davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern dieser nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146).

c.  Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet es auch, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (BVerfGE 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69 145, 148), sofern nicht Gründe des Prozessrechts es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen (BVerfG NJW 1996, 2785, 2786). Nur eine (objektiv) willkürliche Ablehnung eines Beweisantrages, also eine solche ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückzuführende Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt das rechtliche Gehör (BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Celle VRS 84, 232; OLG Köln NStZ-RR 1998, 345).

d.  Die Versagung rechtlichen Gehörs ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag zu beachten, wobei die Rüge, was bereits im Zulassungsverfahren zu prüfen ist, zulässig in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (§ 80 Abs. 3 Satz 2 OWiG) anzubringen ist (Senatsbeschlüsse wie zuvor, OLG Köln VRS 94, 123, 124 m.w.N.). Nach dieser Bestimmung hat der Beschwerdeführer den Verfahrensmangel so hinreichend genau zu bezeichnen und vollständig anzugeben sowie bestimmt zu behaupten, dass das Beschwerdegericht ohne Rückgriff auf die Akten schon anhand der Begründung entscheiden kann, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt. Die Verfahrensrüge muss auch ergeben, dass das Urteil auf dem Verstoß beruhen kann (vgl. Rebmann/Roth/Herrmann, a.a.O., Rn. 8a).

4.  Die zulässige Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs erweist sich als unbegründet. Die auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützte Entscheidung, dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu entsprechen, hält einer rechtlichen Überprüfung aus den nachfolgenden Gründen stand.

a.  § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG schwächt das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung ab. Die Vorschrift gewährt dem Tatrichter einen größeren Ermessensspielraum bei der Entscheidung, ob die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung des Sachverhalts (noch) erforderlich ist (KG NZV 2002, 416; KK OWiG-Senge, 3. Aufl., § 77 Rn. 16).  Wird ein Beweisantrag in dem Beschluss mit Kurzbegründung abgelehnt (§ 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 OWiG), so muss die Ablehnung im Rahmen der Beweiswürdigung regelmäßig so begründet werden, dass sie für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar ist, wobei der Umfang der erforderlichen Urteilsausführungen von der einzelnen Fallgestaltung abhängt; grundsätzlich ausreichend ist jedoch, dass der Urteilsbegründung im Gesamtzusammenhang zu entnehmen ist, „dass der Sachverhalt auf Grund der genutzten Beweismittel so eindeutig geklärt ist, dass die zusätzlich beantragte Beweiserhebung an der Überzeugung des Gerichts nichts geändert hätte und für die Aufklärung entbehrlich gewesen ist“ (Seitz, a.a.O., § 77 Rn. 26; Rebmann/Roth/Herrmann, a.a.O.; § 77 Rn. 14 jeweils m.w.N.).

b. Nach richtiger Auffassung gilt in den Fällen – wie hier – geringfügiger Ordnungswidrigkeiten, dass der Richter sich mit seiner Entscheidung in den Urteilsausführungen nur noch dann nochmals zu befassen hat, wenn das zum Verständnis der Beweiswürdigung unerlässlich ist (Rebmann/Roth/Hermann, a.a.O.; KK OWiG-Senge, a.a.O., § 77 Rn. 44).

c. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht durch die Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG  gestützte Ablehnung der Beweisanträge ist jedenfalls nicht (objektiv) willkürlich. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG lässt die Ablehnung eines Beweisantrages zu, wenn das erkennende Gericht aufgrund der Beweisaufnahme den Sachverhalt für so eindeutig geklärt hält, dass nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilt, die beantragte Beweisaufnahme die eigene Beurteilung der Sachlage nicht zu ändern vermöchte, wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese Auslegung und Anwendung des Verfahrensrechts vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht zu überprüfen ist (vgl. OLG Köln VRS 83, 446f.; OLG Hamm, Beschluss vom 25.08.2008 – 2 Ss OWi 616/08 -, zitiert nach juris).

d) Hiervon ist das Amtsgericht ausgegangen und hat die zum Beweis der Tatsache, dass eine fehlerhafte Messung vorliegt, beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens und die zum Zwecke der Gutachtenerstattung im Vorfeld begehrte Herausgabe „sämtlicher Algorithmen und Schlüssel durch den Hersteller“  abgelehnt. Zu Recht ist das Amtsgericht dabei davon ausgegangen, dass die Sicherstellung der Messrichtigkeit und Messzuordnung über die nach umfangreichen Felduntersuchungen  erfolgte Zulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) gewährleistet ist. Mit der Zulassung erklärt die PTB im Wege eines Behördengutachtens (antizipiertes Sachverständigengutachten), dass das zugelassene Gerät ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren bietet, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse erwarten lassen. Anlass zur Überprüfung der im Einzelfall erfolgten Geschwindigkeitsermittlung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen besteht daher nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Messtechnik als solche strukturell angelegte, bei der Zulassung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigte Fehler aufweist, oder wenn die Prüfung des konkreten Messvorgangs ergeben hat, dass Anwendungsfehler (so zum Beispiel die Nutzung eines nicht gültig geeichten Gerätes oder ein Verstoß gegen die Zulassungsbedingungen der PTB) möglicherweise ergebnisrelevanter Art vorlagen (vgl. zu alledem OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.12.2014 – 2 Ss OWi 1041/14,  OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.07.2015 – IV-1 RBs 200/14 -, beide zitiert nach juris).

Derartige Anhaltspunkte sind weder dem Beweisantrag noch der Rechtsbeschwerdebegründung zu entnehmen.“

Dem schließt sich der Senat an.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.