Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, für den die Klägerin einstandspflichtig war, beauftragte die Beklagte mit der Erstellung eines Kfz-Schadengutachtens. Er ermittelte Reparaturkosten von 12.297,05 € netto, einen Wiederbeschaffungswert von 11.200,- € und einen Restwert inkl. MwSt. von 150,- €. Auf dieser Grundlage wurde der Schaden reguliert, nachdem der Geschädigte das Fahrzeug zu dem angegebenen Restwert veräußert und mögliche Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten an die Klägerin abgetreten hatte. Die Klägerin stellte dann fest, dass der Restwert auf dem regionalen Markt in Wahrheit 3.500,- € betragen hatte und nimmt die Beklagte auf die Differenz als Schadensersatz in Anspruch. Laut LG Saarbrücken zu Recht: Der Versicherer sei in den Schutzbereich des Gutachtervertrages einbezogen. Dahinstehen könne, ob der Verzicht auf die Einholung von Restwertangeboten auf dem regionalen Markt schon eine Pflichtverletzung darstelle, da auch bei einer ausschließlich überregionalen Abfrage einer Restwertbörse der ermittelte Wert von 150,- € offensichtlich unrichtig sei. Da der Geschädigte beim Verkauf des Unfallfahrzeugs und der Regulierung den vom Sachverständigen errechneten Restwertbetrag zugrunde legen durfte, treffe die Klägerin auch kein Mitverschulden, wenn sie den daraus errechneten Schadensbetrag reguliert (LG Saarbrücken, Urteil vom 18.03.2016 – 13 S 171/15).

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lebach vom 25.09.2015 – 13 C 572/14 (10) – abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.350,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2014 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten, die durch die Verweisung des Rechtsstreits in 1. Instanz vom Amtsgericht Bad Schwalbach an das Amtsgericht Lebach entstanden sind.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Restwertermittlung im Rahmen einer Kfz-Schadensbegutachtung geltend.

Die Beklagte wurde anlässlich eines Verkehrsunfalls, der sich am 23.07.2013 in … ereignet hat und für den die Klägerin einstandspflichtig ist, durch den in … wohnhaften Geschädigten mit der Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens beauftragt. Bei dem unfallbeschädigten Fahrzeug handelte es sich um einen SUV der Marke Suzuki, Typ SX 4 1,6 VVT Comfort mit Erstzulassung 03.12.2009 und einer Laufleistung von rund 27.600 km im Unfallzeitpunkt.

Die Beklagte ermittelte in ihrem Schadensgutachten vom 29.07.2013 Reparaturkosten von 12.297,05 € netto (Kosten für Ersatzteile 2.214,79 €, Nebenkosten 325,- €, Arbeitslohn 7.525,80 € und Lackierkosten 2.231,46 €) bei einem Wiederbeschaffungswert von 11.200,- € und einem Restwert inkl. MwSt. von 150,- €. Die Beklagte hat den Schaden gegenüber dem Geschädigten auf dieser Grundlage reguliert, nachdem der Geschädigte sein Fahrzeug zu einem Restwert von 150,- € veräußert hatte. Zugleich hat der Geschädigte etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten an die Klägerin abgetreten.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Restwertermittlung in Höhe von 3.350,- € nebst Zinsen geltend gemacht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Restwert des Fahrzeugs sei ausgehend von dem für den Geschädigten zugänglichen regionalen Markt mit 3.500,- € zu veranschlagen. Der von der Beklagten zugrunde gelegte Restwert sei danach offenkundig fehlerhaft ermittelt worden.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat behauptet, sie habe den Restwert auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ermittelt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat der Erstrichter, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, ausgeführt, die Klägerin habe eine fehlerhafte Restwertermittlung nicht durch Tatsachen belegt.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Anspruch weiter verfolgt. Sie rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung sowie eine unterlassene Beweisaufnahme durch das Erstgericht.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.03.2016 und die schriftliche gutachtliche Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. … vom 11.03.2016 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB im beantragten Umfang zu.

1. Im Ansatz zutreffend ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin in den Schutzbereich des zwischen der Beklagten und dem Geschädigten abgeschlossenen Werkvertrages über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens einbezogen ist und Schadensersatz beanspruchen kann, wenn die Beklagte vertragliche Pflichten verletzt hat, die auch zu Gunsten der Klägerin bestehen. Dies entspricht auch der einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung (BGH, st. Rspr.; vgl. Urteil vom 13.01.2009 – VI ZR 205/08, VersR 2009, 413 m.w.N.; Saarl. OLG, Schaden-Praxis 2015, 49; OLG Köln, VersR 2004, 1145).

2. Zu Recht wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Erstrichters, die Beklagte habe keine zugunsten der Klägerin bestehende vertragliche Pflicht aus dem Gutachtenauftrag verletzt.

a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Ermittlung des Restwertes, also des Betrages, den der Geschädigte im Rahmen der Ersatzbeschaffung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler im örtlichen Bereich oder bei dem Kraftfahrzeughändler seines Vertrauens bei Inzahlunggabe des beschädigten Fahrzeugs erzielen kann, eine aus dem Auftrag zur Schadensbegutachtung resultierende Pflicht des Kfz-Sachverständigen darstellt, die (auch) dem Schutz des gegnerischen Haftpflichtversicherers dient (vgl. nur BGH aaO).

b) Diese Pflicht hat die Beklagte vorliegend verletzt. Denn die Restwertermittlung durch die Beklagte war mangelhaft und damit als Grundlage der Schadensabrechnung ungeeignet.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob die Restwertermittlung im Streitfall bereits deshalb fehlerhaft war, weil die Beklagte auf die Einholung von Restwertangeboten auf dem für den Geschädigten maßgeblichen regionalen Markt ganz verzichtet hat (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 15.06.2010 – VI ZR 232/09, VersR 2010, 1197; vom 13.01.2009 aaO und vom 13.10.2009 – VI ZR 318/08, VersR 2010, 130; BGHZ 143, 189; OLG Celle, Schaden-Praxis 2006, 434; Diehl, Zfs 2009, 329).

bb) Denn der von der Beklagten ermittelte Restwert von 150,- € ist auch unter Zugrundelegung der Methode der Beklagten (ausschließlich überregionale Abfrage über Restwertbörse) offenkundig unrichtig. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den unmissverständlichen, widerspruchsfreien, den Sachverhalt erschöpfenden und in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen. Dieser hat unter Zugrundelegung von entsprechenden historischen Datensätzen bekannter Restwertbörsen für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Restwert des Fahrzeugs zwischen 2.550,- € und 4.935,- € ermittelt. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten sieht die Kammer dieses Ergebnis der Auswertung historischer Datensätze als geeignete Grundlage, um die Fehlerhaftigkeit der Restwertermittlung durch die Beklagte zu belegen. Zum einen handelt es sich bei den Fahrzeugen, die aus den Datenbanken der Restwertbörsen abgefragt wurden – wie der Sachverständige zur Überzeugung der Kammer dargelegt hat – um vergleichbare Fahrzeuge in einer nennenswerten Anzahl (hier: 17 Fahrzeuge bei mehr als 200 Geboten). Zum anderen ist auch der abgefragte Zeitraum von 3 Monaten vor bis 3 Monaten nach dem Unfallereignis ein Zeitraum, der verlässliche Rückschlüsse zulässt. Soweit der Beklagtenvertreter demgegenüber eingewandt hat, die historische Abfrage des gerichtlichen Sachverständigen berücksichtige nicht hinreichend, dass in dem streitgegenständlichen Zeitraum Hagelschäden aufgetreten seien, die auf die Restwertangebote Einfluss gehabt hätten, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Denn der Sachverständige hat ausdrücklich hervorgehoben, dass sich aus dem Ergebnis seiner historischen Abfrage keinerlei Anzeichen für Faktoren dieser Art ergeben haben, die sein Ergebnis beeinflussen könnten.

cc) Die Beklagte hat die fehlerhafte Restwertermittlung auch zu vertreten. Dabei bedarf es vorliegend keines Rückgriffs auf die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn der von der Beklagten angegebene Restwert von lediglich 150,- € war angesichts der von dem Sachverständigen auf den damaligen Zeitpunkt ermittelten Restwerte und auch im Hinblick auf die Gesamtumstände (ca. 3 1/2 Jahre altes Fahrzeug, rund 27.600 km, Wiederbeschaffungswert von 11.200,- € bei Heckschaden mit Reparaturkosten von netto 12.297,05 €, die zu etwa 9.600,- € aus Arbeitskosten bestehen) offensichtlich unbrauchbar, was der Beklagten als Kfz-Schadensgutachter ohne weiteres hätte auffallen müssen.

3. Durch die fehlerhafte Restwertermittlung ist der Klägerin ein Schaden von mindestens 3.350,- € entstanden. Hätte die Beklagte den Restwert zutreffend ermittelt, wäre der von der Klägerin an den Geschädigten zu leistende Ersatz jedenfalls um 3.350,- € geringer ausgefallen, da in diesem Umfang eine weitere Anrechnung auf den angesetzten Wiederbeschaffungswert hätte erfolgen können.

a) Hat ein Kfz-Sachverständiger im Rahmen seiner Schadensbegutachtung den Restwert fehlerhaft ermittelt, besteht der Schaden bei Abrechnung auf Totalschadensbasis in der Differenz zwischen dem regulierten Wiederbeschaffungsaufwand und dem Wiederbeschaffungsaufwand, wie er sich bei fehlerfreier Ermittlung des Restwerts ergeben hätte (vgl. LG Essen, Schaden-Praxis 2010, 23; LG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2009, 82). Für die Schadensermittlung ist mithin auf den Restwert abzustellen, der sich bei ordnungsgemäßer sachverständiger Schadensbegutachtung ergeben hätte und den der Geschädigte zur Grundlage seiner Abrechnung hätte machen dürfen. Das entspricht dem Restwert, den ein seriöser Kfz-Sachverständiger unter Beachtung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze ermittelt hätte. Denn der Kfz-Sachverständige hat sein Gutachten unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Kfz-Unfällen zu erstellen, wenn ihn der Geschädigte mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragt (vgl. BGH, Urteile vom 13.01.2009 – VI ZR 205/08, VersR 2009, 413 und vom 13.10.2009 – VI ZR 318/08, VersR 2010, 130).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Sachverständige bei seiner Schadensbegutachtung den Fahrzeugrestwert aus der Position seines Auftraggebers zu ermitteln (BGH, Urteil vom 13.01.2009 aaO m.w.N.). Dabei genügt der Fahrzeugeigentümer selbst dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen, wenn er seiner Abrechnung denjenigen Restwert zugrunde legt, den der von ihm eingeschaltete Sachverständiger in seinem Gutachten als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, Urteile vom 15.06.2010 – VI ZR 232/09, VersR 2010, 1197; vom 13.01.2009 aaO und vom 13.10.2009 – VI ZR 318/08, VersR 2010, 130; BGHZ 143, 189). Hierzu reicht es im Regelfall aus, wenn der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt ermittelt und diese in seinem Gutachten konkret benennt (vgl. BGH, Urteile vom 13.10.2009 aaO und vom 12.07.2005 – VI ZR 132/04, VersR 2005, 1448).

c) Auf der Grundlage der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hätte sich bei Beachtung dieser Grundsätze ein Restwert von jedenfalls 3.500,- € ergeben. Denn der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, dass für vergleichbare Fahrzeuge auf dem für den Geschädigten maßgeblichen regionalen Markt (hier: …) heute noch Restwerte erzielbar wären, die zwischen 680,- € und 5.500,- € und im Mittel zwischen etwa 2.500,- und 3.000,- € liegen. Die Kammer geht danach im Rahmen ihrer Schadensschätzung nach § 287 ZPO, in die sie zur Plausibilitätsüberprüfung auch die Ergebnisse der aktuellen überörtlichen Internetabfrage (Restwerte im Höchstgebot zwischen 3.111,- € und 3.520,- €) und die Ergebnisse der historischen Restwertabfrage einbezogen hat (2.550,- € bis 4.935 €; vgl. zu dieser Plausibilitätsüberprüfung LG Essen, Schaden-Praxis 2010, 23), von einem Restwert in Höhe von jedenfalls 3.500,- € aus. Dies gilt im Besonderen, weil sich in der Gesamtbetrachtung die meisten Restwertangebote im Bereich zwischen 3.000,- und 4.000,- € bewegen.

d) Danach ergibt sich folgende Vergleichsberechnung:

abgerechneter Wiederbeschaffungsaufwand: 11.200,- ./. 150,- = 11.050,00 €
tatsächlicher Wiederbeschaffungsaufwand: 11.200,- ./. 3.500,- = 7.700,00 €

Differenz: 3.350,00 €

4. Ein Mitverschulden muss sich die Klägerin nicht anrechnen lassen. Realisiert der Geschädigte den Restwert – wie hier – durch den Verkauf des unfallbeschädigten Fahrzeugs, kann er seiner Schadensberechnung grundsätzlich den erzielten Restwertbetrag zugrunde legen (BGHZ 163, 362; OLG Düsseldorf, VersR 2006, 1657). Der Klägerin kann danach kein Verstoß gegen § 254 BGB vorgehalten werden, wenn sie gegenüber dem Geschädigten den von diesem erzielten Restwertbetrag abgerechnet hat (vgl. hierzu auch LG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2009, 82).

5. Der Zinsausspruch folgt aus § 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 281 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).