Joachim Müllerchen, Wikimedia Commons

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Diejenigen, die sich mit dem Thema Einsicht in den digitalen Falldatensatz einer Messanlage beschäftigen, werden von dieser Entscheidung vielleicht überrascht sein: Ein bayerisches AG, nämlich das AG Landsberg am Lech, hat das Polizeiverwaltungsamt angewiesen, dem Verteidiger in einem Bußgeldverfahren die digitalen Messdaten sowie Gerätestammkarte und Ausbildungsnachweis zur Verfügung zu stellen. Viele ähnliche Entscheidungen aus der Zeit nach dem Beschluss des OLG Bamberg zur Messdateneinsicht sind mir nicht bekannt – die meisten Entscheidungen fallen vielmehr gegensätzlich aus (siehe nur die Beschlüsse des AG Kaufbeuren, AG Würzburg und AG Nördlingen). Das AG Landsberg am Lech jedoch stellt sich auf den Standpunkt, dass bei unterlassener Herausgabe das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt würde. Im Gegensatz zu Betroffenen und Verteidigern wird das OLG Bamberg das nicht gerne lesen (AG Landesberg am Lech, Beschluss vom 14.11.2016 – 3 OWi 326/16).

In dem Bußgeldverfahren gegen …

Verteidiger: Rechtsanwalt Fritschi Jürgen, Leuchtenbergring 3, 81677 München, Gz.: ohne

wegen OWi StVO

erlässt das Amtsgericht Landsberg am Lech durch die Richterin am Amtsgericht … am 14.11.2016 folgenden

Beschluss

1. Die Zentrale Bußgeldstelle im bayerischen Polizeiverwaltungsamt wird angewiesen, der Verteidigung
– die Rohmessdaten (Falldaten) der gegenständlichen Messung in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen, die mit dem hier verwendeten Messgerät im Rahmen der Messreihe angefallen sind,
– die sog. Gerätestammkarte sowie den Ausbildungsnachweis des Messbeamten zur Verfügung zu stellen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers.

Gründe:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 62 OWiG ist begründet.

Dem Verteidiger sind die Rohmessdaten (Falldaten) der gegenständlichen Messung in unverschlüsselter Form entsprechend § 46 OWiG i.V.m. § 147 StPO zur Verfügung zu stellen. Andernfalls würde das Recht auf rechtliches Gehör verletzt werden. Denn bei der vorliegenden Messung handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, sodass der Betroffene zur Verteidigung konkrete Einwendungen gegen die Messung vorzubringen hat. Hierzu ist er nur in der Lage, soweit eine Auswertung der Messung (ggf. durch einen von ihm beauftragten Sachverständigen) erfolgen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 467 StPO.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Jürgen Fritschi, München, für die Zusendung die­ser Entscheidung.