JENOPTIK Robot GmbH, Wikimedia Commons

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Eine interessante Idee hatte das AG Landau in der Pfalz in einem Bußgeldverfahren, in dem die Behörde den Antrag des Verteidigers, Einsicht in die gesamte Messreihe einer Geschwindigkeitsmessung zu nehmen, aus Gründen des Datenschutzes zunächst abgelehnt hatte: Das Amtsgericht verpflichtete die Behörde zur Herausgabe der Messserie, allerdings nach vorhergehender Anonymisierung. Gemeint ist wohl, den anderen Falldatensätzen den Personenbezug zu nehmen, indem Kennzeichen anderer Fahrzeuge, Gesichter im Fahrzeuginneren sowie unter Umständen auffällige Werbung auf Fahrzeugen vor der Herausgabe geschwärzt werden. Datenschutzbeauftragten dürfte das ein ruhigeres Gewissen bereiten; wie viel von den Falldateien unkenntlich gemacht werden darf, damit diese sich überhaupt noch zur Auswertung eignen, müssen vorrangig Sachverständige beurteilen. Zwei weitere Punkte, abgesehen vom anfallenden Arbeitsaufwand, solange die Anonymisierung nicht automatisiert durchgeführt werden kann, dürften Probleme bereiten: Eine übliche Auswertesoftware, wie sie die Messgerätehersteller anbieten, kann u. a. Messfoto und -daten anzeigen und ggf. in ein anderes Format (z. B. JPEG) umwandeln. Eine Möglichkeit zur Bearbeitung von Messfotos ist – meines Wissens – bei keinem dieser Programme vorhanden. Auch dürfte – falls eine solche Bearbeitung dennoch gelingen sollte – die Authentizität der Falldatei (“Schlosssymbol” in der Auswertesoftware) nicht mehr feststellbar sein, da sich auf Grund der Änderungen die Prüfsumme bzw. der Hash-Wert des Falldatensatzes ändert und daher nicht mehr gesagt werden kann, dass der Datensatz auch tatsächlich von dem jeweiligen Messgerät stammt und ob außer der Anonymisierung sonstige Veränderungen vorgenommen worden sind (AG Landau in der Pfalz, Beschluss vom 05.01.2017 – 2 OWi 708/16).

1. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz hat dem Verteidiger des Betroffenen den vollständigen Messfilm in anonymisierter Form des Gerätes TraffiStar S 330 mit WVZ-A, Gerätenummer IPV 806 205 / 60455, SCIV 625-011 / 64426, WVZ-A 750-005 / 60034 der die Geschwindigkeitsmessung vom 26.08.2016, 00:01 Uhr bis 31.08.2016, 23:59 Uhr Gemarkung Annweiler, B 10, Staufertunnel, Fahrtrichtung Landau zum Gegenstand hat, zur Verfügung zu stellen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers hat die Verwaltungsbehörde zu tragen.

Gründe:

I.

Dem Betroffenen wird ein Geschwindigkeitsverstoß zur Last gelegt.

Im Zuge des diesbezüglich geführten Bußgeldverfahrens beantragte der Verteidiger bei der verfahrensführenden Verwaltungsbehörde die gesamte Messserie vom Tattag zu übersenden.

Mit Schreiben vom 10.11 .2016 lehnte die Verwaltungsbehörde die Herausgabe der gesamten Messreihe unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken ab.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

II.

Der gemäß § 62 OWiG zulässig Antrag ist begründet.

Die Verwaltungsbehörde hat dem Verteidiger des Antragstellers den begehrten Messfilm in anonymisierter Form vollständig zugänglich zu machen.

Zwar folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem in § 147 StPO verbürgten Akteneinsichtsrecht, da sich jenes Recht alleine auf Unterlagen erstreckt die sich bei den Akten befinden. § 147 I StPO gibt keinen Anspruch auf Bildung eines größeren Aktenbestandes, vgl. etwa BVerfGE 63, 45 m.w.N.

Allerdings ergibt sich die Grundlage für das Einsichtsbegehren der Verteidigung aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens. Es hängt nicht davon ab, ob der Verteidiger konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vortragen kann. Auf eine mögliche Beiziehung des Films erst im gerichtlichen Verfahren muss er sich nicht verweisen lassen. Der Betroffene muss in der Lage sein, bereits im Vorverfahren durch einen nicht behinderten Zugriff auf Messdaten und Messunterlagen -ggf. auch mit Hilfe eines privat hinzugezogenen und von ihm mit den notwendigen Anknüpfungstatsachen ausgestatteten Sachverständigen- die konkreten Anhaltpunkte erst einmal zu ermitteln, die er dann der Bußgeldstelle oder dem Gericht vortragen kann, vgl. zu alledem Cierniak, zfs 2012, 664 m.w.N.

Ohne das Zurverfügungstellen der bezeichneten Daten wäre zwischen Betroffenem und der Ermittlungsbehörde überdies keine Waffengleichheit gegeben, da die Ermittlungsbehörde einen Wissensvorsprung dadurch erlangen würde, dass sie maßgebliche Unterlagen -über die sie verfügt- zurückhält und dem Betroffenen deren Kenntnisnahme verweigert, vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 05.11.2012, 2 Ss (Bz) 100/12.

Den datenschutzrechtlichen Bedenken ist insoweit Rechnung zu tragen, dass der Messfilm nur in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden muss.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 II OWiG, 464 ff. StPO.

Die Entscheidung ist gemäß § 62 II 3 OWiG unanfechtbar.