Diese Entscheidung fasst zusammen, was bei einer Geschwindigkeitsmessung durch ein nachfahrendes Polizeifahrzeug zu beachten ist: Eine solche Messung kann grundsätzlich eine ausreichende Beweisgrundlage darstellen, es liegt aber dann kein standardisiertes Messverfahren vor. Der Tatrichter muss daher die Länge der Messstrecke, den Abstand zwischen beiden Fahrzeugen sowie etwaige Verringerungen des Abstands angeben. Der Abstand soll dem halben bis maximal ganzen Tachowert entsprechen; bei mehr als 90 km/h soll der Abstand 100 m nicht überschreiten. Die Messstrecke sollte mindestens dem Fünffachen des Tachowertes entsprechen, in jedem Fall über 500 m betragen. Schließlich müssen auch Feststellungen zu den Erfahrungen der Polizebeamten mit solchen Messungen getroffen werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 27.01.2016 – 1 OWi 4 SsBs 1/16).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 26. Oktober 2015 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Rechtsmittelkosten, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Neuwied zurückverwiesen.

Gründe:

1. Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 26. Oktober 2015 (Bl. 89 ff. d.A.) wegen fahrlässigen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h zu einer Geldbuße von 185 € verurteilt und zugleich wurde ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache einen – vorläufigen – Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem Aufhebungsantrag ausgeführt:

“Die Geschwindigkeitsübertretung ist vorliegend nicht mittels eines standardisierten Messverfahrens, sondern durch ein nachfahrendes Polizeifahrzeug festgestellt worden. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Feststellung der Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeuges durch Vergleich mit der Geschwindigkeit eines nachfolgenden Polizeifahrzeuges grundsätzlich eine genügende Beweisgrundlage für die Annahme einer Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit sein kann. Ob dies im Einzelfall aber möglich ist, hängt insbesondere davon ab, welche Länge die Messstrecke aufwies, welcher Abstand eingehalten wurde und in welchem Maße sich dieser auf der Messstrecke höchstens verringert hat (vgl. hierzu BayObLG v. 17.04.1996 – 1 ObOWi 85/96; OLG Koblenz v. 27.05.2003 – 1 Ss 111/03; OLG Rostock v. 28.03.2007 – 2 Ss OWi 311/06). Eine zuverlässige Ermittlung der Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeuges kommt daher in der Regel nur in Betracht, wenn der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen nicht zu groß ist – was einem Abstand des halben Tachostandes (OLG Koblenz a.a.O.; OLG Rostock a.a.O.) bis maximal des ganzen Tachowertes (BayObLG a.a.O.) entspricht – und die Messstrecke ausreichend lang ist, worunter als Richtwert das Fünffache des Tachowertes (OLG Koblenz a.a.O. sowie BayObLG a.a.O.), zumindest aber 500 Metern (OLG Rostock a.a.O. m.w.N.) zu verstehen ist. Bei Geschwindigkeiten von über 90 km/h soll der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen einen Richtwert von 100 Metern nicht überschreiten (OLG Rostock a.a.O.; BayObLG NZV 1994, 448). Diesen Anforderungen werden die tatrichterlichen Feststellungen nicht gerecht. Zwar ist die Messstrecke mit 1.500 Metern ausreichend dimensioniert. Den Urteilsgründen lässt sich aber nicht entnehmen, welcher Abstand zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem Polizeifahrzeug zum Zeitpunkt des Ablesens der Geschwindigkeit von 180 km/h bestand. Nach den tatrichterlichen Feststellungen hat der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen zu Beginn der Nachfahrstrecke ca. 180 Metern betragen. Sodann habe der Betroffene stark beschleunigt, so dass er sich trotz maximaler Beschleunigung des Polizeifahrzeuges von diesem habe stetig absetzen können. Als der Betroffene am Ende der 1.500 Meter langen Strecke abgebremst habe, sei auf dem Polizeifahrzeug eine Geschwindigkeit von 180 km/h abgelesen worden. Um von der Geschwindigkeit eines Fahrzeuges auf die eines anderen schließen zu können, ist aber eine möglichst gleiche Geschwindigkeit beider Fahrzeuge erforderlich. Dies ist dann anzunehmen, wenn der zwischen den Fahrzeugen liegende Abstand über eine gewisse Distanz nahezu gleichbleibend ist. In einem solchen Falle stellt sich die in einem Fahrzeug abgelesene Geschwindigkeit – ungeachtet etwaiger Toleranzabzüge – auch als die des anderen Fahrzeuges dar. Vorliegend ist den Urteilsgründen indes nicht zu entnehmen, welcher Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen zum Zeitpunkt des Ablesens des Tachowertes bestand. Da sich zum Zeitpunkt der Messung das Polizeifahrzeug in einer Beschleunigungsphase befand, während der Wagen des Betroffenen abgebremst wurde, spricht Vieles dafür, dass die gemessene Geschwindigkeit des Streifenwagens nicht derjenigen des Betroffenen entsprach. Die Urteilsfeststellungen, die im Übrigen auch jegliche Angaben zu weiteren, maßgeblichen Anknüpfungstatsachen wie beispielsweise die Erfahrungen der Polizeibeamten mit Messungen unter solchen Umständen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz a.a.O.) vermissen lassen, tragen daher die zur Aburteilung gelangte Geschwindigkeitsübertretung nicht.”

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an. Hiernach ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Sa. 1 OWiG § 353 StPO) und die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).