Diese Entscheidung führt womöglich zur Einführung einer Art Lebensakte für Straßen und deren Fahrbahnbelag: Der Pkw der Klägerin wurde am 04.02.2016 beschädigt, als diese in einer geschlossenen Ortschaft fuhr, indem beim Befahren der Straße größere Asphaltstücke abgeplatzt sind und gegen Teile des Pkws geschleudert wurden. Die beschädigte Straße liegt im bebauten Innenbereich einer Gemeinde, ist nach Angaben des Klägers “mäßig stark frequentiert” und erschließt ein Wohngebiet. Zudem befinden sich dort die Freiwillige Feuerwehr, der Bauhof sowie eine Grundschule. Die beklagte Gemeinde behauptet, vierteljährliche Kontrollen der Straße durch ihren Bauhof durchgeführt zu haben, vor dem Unfall zuletzt am 23.11.2015. Die Durchführung dieser Kontrolle war für das OLG bereits zweifelhaft, weil die Gemeinde dies nicht belegen konnte. Insoweit empfiehlt das OLG, die Durchführung derartiger Überwachungsmaßnahmen und die Beseitigung von Mängeln aus Beweisgründen zu dokumentieren. Ohnehin habe die behauptete Überwachung am 23.11.2015 zu lange zurückgelegen, zumal der Gemeinde bereits zuvor ein ähnlicher Unfall von Anfang Dezember 2016 an dieser Stelle gemeldet wurde. In der Regel sei bei innerörtlichen Straßen deren monatliche Kontrolle auf Fahrbahnschäden erforderlich, aber auch ausreichend. Eine Mithaftung der Klägerin auf Grund der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs sei nicht gegeben: Zwar könne bei vorhandenen Schlaglöchern einem Anspruchsteller unter Umständen entgegengehalten werden, dass ein Idealfahrer diese frühzeitig erkannt hätte. Eine solche Überlegung sei hier nicht möglich, da das Abplatzen von Asphaltstücken auf Grund Frostaufbruchs in der Dunkelheit nicht vorhersehbar gewesen sei (OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.05.2017 – 4 U 146/16).

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28.10.2016 (Aktenzeichen 4 O 172/16) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 929,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.06.2016 zu zahlen und die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte pp., in Höhe von 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.06.2016 freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin als Eigentümerin des Pkw Peugeot Partner Grand Filou Cool Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen … erhebt auf Grund eines Unfallereignisses vom 04.02.2016 in der …straße in N. im Innenbereich der beklagten Gemeinde gegen diese Amtshaftungsansprüche. An anderer Stelle hatte sich auf der …straße im Dezember 2015 ein gleichartiger Schadensfall am Pkw des Zeugen C. D. ereignet, worüber die Beklagte informiert wurde.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihrer Verpflichtung, für den verkehrssicheren Zustand der …straße zu sorgen, nicht genügt. Sie hat behauptet, die …straße mit angepasster Geschwindigkeit befahren und etwa in Höhe des Anwesens Nr. 13a einen lauten Knall wahrgenommen zu haben. Obgleich die Klägerin aus der Annäherung heraus keine Fahrbahnschäden bzw. Lockerungen der Teerdecke habe erkennen können, habe sich ein Teerbrocken aus der Fahrbahn der rechten Fahrspur, zur Straßenmitte hin, gelöst, sei gegen den Pkw geschleudert worden und habe diesen beschädigt. Die Klägerin hat Nettoreparaturkosten in Höhe von 904,80 €, eine Kostenpauschale von 30 € und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € ersetzt verlangt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 934,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 26.03.2016 zu zahlen und

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsanwälte … pp., außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit (14.06.2016) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zum Unfallhergang mit Nichtwissen erklärt und bestritten, dass der losgelöste Teerbrocken kausal für die Beschädigungen am Pkw der Klägerin gewesen sei. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte in Abrede gestellt und behauptet, durch ihren Bauhof regelmäßige vierteljährliche Kontrollen durchgeführt zu haben, zuletzt vor dem streitgegenständlichen Vorfall am 23.11.2015. Jedenfalls müsse sich die Klägerin die Betriebsgefahr ihres Pkw nach § 254 BGB anrechnen lassen. Die Angemessenheit der Reparaturkosten hat die Beklagte bestritten und hinzugefügt, auf Grund des Alters des Pkw müsse davon ausgegangen werden, dass nicht berücksichtigte Vorschäden vorgelegen hätten.

Das Landgericht hat die Klägerin als Partei angehört (Bl. 59 ff. d. A.) und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. B. (Bl. 61 f. d. A.), St. Sch. (Bl. 62 ff. d. A.), Lena L. Sch. (Bl. 64 f. d. A.), H. Sch. (Bl. 66 f. d. A.), W. E. (Bl. 67 f. d. A.) und C. D. (Bl. 68 ff. d. A.). Mit dem am 28.10.2016 verkündeten Urteil (Bl. 77 ff. d. A.) hat es die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, das Landgericht sei zu Unrecht der Auffassung, die Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen der Beklagten hätten dem konkret gebotenen Ausmaß noch genügt. Unstreitig habe die Beklagte es nach dem Schaden des Zeugen C. D. nicht für erforderlich erachtet, die …straße insgesamt einer Kontrolle zu unterziehen und die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen, nachdem auf der Grundlage ihres Vortrags bereits weniger als zwei Wochen nach Durchführung einer Kontrolle sich der Fahrbahnbelag abgelöst und bei Überfahrt gegen Fahrzeuge geschleudert worden sei. In Bezug auf die Beschädigung ihres Fahrzeugs und die Schadenshöhe wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 89 d. A.),

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den im ersten Rechtszuge zuletzt gestellten Anträgen der Berufungsklägerin zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Auf Grund des unstreitig guten Allgemeinzustands der Straße habe der Schaden des Zeugen C. D. keinen Anlass zu einer vollständigen Sanierung des Straßenkörpers vor dem Anwesen Nr. 13a gegeben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 07.10.2016 (Bl. 58 ff. d. A.) und des Senats vom 27.04.2017 (Bl. 117 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist nach Maßgabe der §§ 513, 529, 546 ZPO auch weit überwiegend begründet.

1. Der Klägerin steht gegen die beklagte Gemeinde ein Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung (§§ 839 Abs. 1 Satz 1, 249, 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG und § 9 Abs. 3a SaarlStrG) zu.

a) Die Klägerin ist als Eigentümerin des im Tatbestand bezeichneten Pkw zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen auf Grund einer Beschädigung desselben berechtigt. Hierbei streitet bereits die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB für die Eigentümerstellung der Klägerin, die im Zeitpunkt des Unfalls ersichtlich unmittelbare Besitzerin des Pkw war. Die gesetzliche Vermutung enthebt den Besitzer im Grundsatz auch von der Darlegungslast, dass und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet, mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (BGHZ 156, 310, 319; Senat NJW-RR 2013, 1498). Mit dieser Rechtsauffassung ist es nicht vereinbar, eine „erfolgreiche Berufung auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB“ erst dann zu erlauben, wenn „der Besitzer seiner sekundären Darlegungslast zu den Umständen seines Besitz- und Eigentumserwerbs genüge“ (so aber OLG Hamm NJW 2014, 1894). Vielmehr genießt der Besitzer die Rechtswohltat des § 1006 Abs. 1 BGB bereits dann, wenn er seinen unmittelbaren Besitz nachweist und die Rechtsbehauptung aufstellt, Eigentümer der Sache zu sein (Senat NJW-RR 2014, 1241). Überdies ist die Aktivlegitimation der Klägerin auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Termin zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht von der Beklagten nicht mehr bestritten worden (Bl. 64 d. A. oben).

b) Das Landgericht hat angenommen, es fehle „an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes, die nachweisbar kausal für den Unfall des Klägers“ gewesen sei (Bl. 81 d. A. oben). Dem kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Rechtsstreit eine Klägerin Ansprüche gegen eine beklagte Gemeinde erhebt, fällt der hiesigen Beklagten eine unfallursächliche schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung zur Last.

aa) Die Verkehrssicherungspflicht der öffentlichen Hand bezüglich öffentlicher Wege und Plätze ist ihrem Wesen nach zwar keine Amtspflicht im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB, sondern eine allgemeine zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 BGB. Als Haftungstatbestand kommt daher grundsätzlich § 823 BGB in Verbindung mit §§ 89, 31 BGB in Betracht (BGHZ 9, 373, 374 f.; BGH NJW 1968, 443; Wellner in Geigel, Der Haftpflichtprozess 27. Aufl. Kap. 14 Rn. 40). Etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn das jeweilige Bundesland die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlich geregelt hat. In diesem Fall handelt es sich bei der Verkehrssicherungspflicht um eine hoheitliche Aufgabe, also um eine Amtspflicht im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB (BGHZ 27, 278, 281 f.; BGH NVwZ-RR 2014, 252, 253 Rn. 12; Wellner in Geigel, aaO). Im Saarland ist eine entsprechende Regelung getroffen worden durch § 9 Abs. 3a SaarlStrG, der ausdrücklich anordnet, dass die Verkehrssicherung öffentlicher Straßen als Amtspflicht in hoheitlicher Tätigkeit wahrgenommen wird. Diese obliegt im Falle von Gemeindestraßen den Kommunen, vorliegend also der Beklagten. Die hoheitlich ausgeübte Verkehrssicherungspflicht bezüglich öffentlicher Straßen entspricht dabei inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 BGB (BGHZ 60, 54, 58 ff.; Wellner in Geigel, aaO Rn. 43). Diese Amtspflicht besteht zu Gunsten Dritter, nämlich der Straßennutzer (Senatsurt. v. 16.10.2014 – 4 U 168/13, juris Rn. 41).

bb) Der Umfang der Amtspflicht wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes (BGH VersR 1979, 1055), wobei jedoch absolute Gefahrlosigkeit nicht gefordert werden kann. Diese kann in der Regel nicht erwartet werden und ist auch unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht zu erreichen. Vielmehr sind die öffentlichen Verkehrswege grundsätzlich in dem Zustand hinzunehmen, wie sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten, wobei sich der Benutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen muss (BGH NJW 1980, 2194, 2195; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1114). Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (Senatsurt. v. 16.10.2014 – 4 U 168/13, juris Rn. 43 m. w. Nachw.). Die Verkehrssicherungspflicht dient nicht dazu, das allgemeine Lebensrisiko auf den Sicherungspflichtigen abzuwälzen (vgl. OLG Koblenz OLGR 1998, 404, 405). Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginnt grundsätzlich erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist (vgl. Senat OLGR 1998, 404). Diese Grundsätze finden auch weiterhin auf die im Saarland geltende Rechtslage Anwendung (Senatsurt. v. 16.10.2014 – 4 U 168/13, juris Rn. 43, 45).

cc) Um Gefahren, die den Verkehrsteilnehmern vom Straßenzustand drohen, überhaupt feststellen und beseitigen zu können, obliegt den Kommunen eine Kontrollpflicht in Bezug auf das Straßennetz. Die Kontrollen müssen in zeitlichen Abständen durchgeführt werden, die sich an der Verkehrsbedeutung der Straße und der Gefährlichkeit orientieren. Ihr Umfang und ihre Intensität sind durch die Zumutbarkeit begrenzt (Tassarek-Schröder/Rönsberg in Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht 5. Aufl. Kap. I Rn. 594). In der Regel reicht es aus, die Fahrbahnoberfläche einer monatlichen Kontrolle zu unterziehen (LG Heidelberg VersR 1989, 749; Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 25. Aufl. 2013, 3. „Straßeninstandhaltung“ Rn. 48). Die Kontrollen müssen jedenfalls in einer solchen Art und Weise durchgeführt werden, dass der betreffende Gemeindebedienstete geeignete Möglichkeiten hat, Anhaltspunkte für Schäden zu erkennen (OLG Nürnberg NJW 2000, 3075).

dd) Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Kontrollpflicht gehört deren Organisation. Es muss also in einer Dienstanweisung oder in einem Überwachungsplan festgelegt werden, welche Straßen und Wege in welchen Abständen durch welches Personal kontrolliert werden. Aus Beweisgründen sollte über durchgeführte Überwachungsmaßnahmen Buch geführt und die Beseitigung beanstandeter Mängel dokumentiert werden. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und insbesondere den Umstand, dass keine ausreichenden Kontrollen stattgefunden haben, muss der Geschädigte beweisen. Allerdings kommt ihm der Beweis des ersten Anscheins hinsichtlich des Verschuldens zu Gute, wenn feststeht, dass der verkehrswidrige Zustand bereits so lange angedauert hat, dass in dieser Zeit Kontrollen hätten stattfinden müssen. In diesem Fall wird vermutet, dass der Gefahrenzustand bei sorgfältigen Kontrollen hätte erkannt werden müssen. Wenn die Kommune nicht durch Vorlage eines unterschriebenen Kontrollbuchs den Gegenbeweis führen kann, doch innerhalb des Zeitraums Kontrollen durchgeführt zu haben, muss sie zumindest Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die Gefahrenstelle auch bei sorgfältigen Überprüfungen nicht hätte erkannt werden können (Tassarek-Schröder/Rönsberg in Rotermund/Krafft, aaO Rn. 596).

c) Die Beklagte hat keine diesen Anforderungen genügende Kontrollen durchgeführt.

aa) Es bestehen bereits Zweifel daran, ob die Beklagte tatsächlich eine letzte Kontrolle vor dem Schadensfall vom 04.02.2016 am 23.11.2015 durchgeführt hat. Die Klägerin hat in ihrer Replik die „Ausführungen der Beklagten zur Erfüllung der … Verkehrssicherungspflicht“ als „völlig unsubstantiiert“ bezeichnet (Bl. 28 d. A. oben), und das Landgericht hat der Beklagten durch Beschluss vom 12.08.2016 aufgegeben, binnen drei Wochen darzulegen, in welchen Abständen die Unfallstelle kontrolliert wird, wann die letzte Kontrolle mit welchem Ergebnis vor dem Unfallereignis stattfand, und etwa vorhandene Unterlagen über die Kontrolle, z. B. Kontrollberichte, zu den Akten zu reichen (Bl. 34 d. A.). Daraufhin hat die beklagte Gemeinde im Schriftsatz vom 24.08.2016 dargelegt, die letzte Kontrolle vor dem Schadensfall habe am 23.11.2015 stattgefunden, und hierbei sei keine Gefahrenquelle festgestellt worden (Bl. 40 d. A. unten). Der von der Beklagten unter anderem dazu benannte Zeuge W. E. als stellvertretender Leiter des Bauhofs hat im Beweisaufnahmetermin vom 07.10.2016 auf Nachfrage des Landgerichts erklärt, er könne nicht sagen, wann die Unfallstelle in der …straße vor dem 04.02.2016 zum letzten Mal kontrolliert worden sei, es existierte auch keine Dokumentation in Form von Kontrollberichten oder Ähnlichem. Es werde diskutiert, ob das eingeführt werde, bislang existiere es aber nicht (Bl. 67 d. A. unten). Der ebenfalls benannte Zeuge F. F. als Leiter des Bauhofs der Beklagten, der zum Beweisaufnahmetermin vor dem Landgericht verhindert und abgeladen worden war, hat mit E-Mail vom 27.09.2016 erklärt, zu dem Schadensfall am 04.02.2016 könne er auch keine Angaben machen, da er wegen eines Schlaganfalls und der anschließenden Rehabilitation vom 28.12.2015 bis zum 01.03.2016 nicht im Dienst gewesen sei (Bl. 55 d. A.). Angesichts dieser Umstände ist es abwegig, dass die Beklagte eine mehrere Monate zuvor durchgeführte Kontrolle in Bezug auf eine einzelne Gemeindestraße rekonstruieren können will. Letztlich kommt es darauf aber ebenso wenig an, wie auf die Frage, welche konkrete Art der Kontrolle (Befahrung? Begehung?) die Beklagte überhaupt durchgeführt haben mag.

bb) Das behauptete Kontrollintervall vom 23.11.2015 bis zum Unfallzeitpunkt 04.02.2016 ist schon für sich genommen zu lange und damit nicht ausreichend.

(1) Die Annahme des Landgerichts, eine vierteljährliche Kontrolle der Fahrbahn einer wenig frequentierten (innerörtlichen) Straße sei in einer ländlichen Gemeinde bei gutem Allgemeinzustand der Straße und fehlenden Hinweisen auf eine besondere Schadensanfälligkeit auch zur Winterzeit noch ausreichend (Bl. 83 d. A.), findet in der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung und im Schrifttum keine Stütze. Vielmehr ist es in der Regel ausreichend, aber auch erforderlich, die Fahrbahnoberfläche einer monatlichen Kontrolle zu unterziehen. Ein solcher zeitlicher Abstand ist bei innerörtlichen Straßen auch ohne weiteres zumutbar.

(2) Von dieser – auf Seiten der Beklagten nach deren eigener Darstellung unbeachtet gebliebenen – Regel abzugehen, besteht hier kein Anlass. Die Einschätzung des Landgerichts, die hier interessierende …straße sei wenig frequentiert, weicht bei näherer Betrachtung vom zu Grunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin – die Beklagte hat insoweit keine Erklärung abgegeben (vgl. § 138 Abs. 2 und 3 ZPO) – ab. Die Klägerin hat die …straße in der Klageschrift als „Straße im allseits bebauten Innenbereich der Gemeinde, welche mäßig stark frequentiert wird“, bezeichnet (Bl. 3 d. A.). Abgesehen davon, dass die unbestimmten Häufigkeiten „wenig frequentiert“ und „mäßig stark frequentiert“ nicht deckungsgleich sind, kommt der …straße auf Grund ihrer Lage und der anliegenden Grundstücke erkennbar eine nicht unerhebliche Verkehrsbedeutung für die Erschließung eines Wohngebiets und die Nutzung öffentlicher Gebäude zu. So wird beim Aufsuchen der Internet-Seiten von GoogleMaps (https://www.google.de/maps/place/…) deutlich, dass die …straße ein ganzes Wohngebiet erschließt. In die Straße münden unter anderem ein der E…weg, der Weg Im H., der S…weg, der F….weg, der D…weg und der A…weg und die Wege Im L. und Im D.. Außerdem mündet die …straße ihrerseits in die Straße Auf der G. bzw. den M…weg und diese münden wiederum in die Hauptdurchgangsstraße zwischen A-Stadt und B-Stadt ein. Das Anwesen Nr. XX, vor dem die Klägerin verunfallt ist, befindet sich etwa in der Mitte der Straßenlänge. Ferner erfolgt über die Straße die Zufahrt zu wichtigen öffentlichen Gebäuden. So befindet sich auf einem Anwesen an der …straße die Freiwillige Feuerwehr der Beklagten. Darüber hinaus hält der Senat es für bemerkenswert, dass auch der Bauhof der Beklagten an der …straße liegt. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass zudem die hinter dem Bauhof liegende Grundschule N. über einen Verbindungsweg zur …straße verfügt.

cc) Im Streitfall kommt hinzu, dass sich unstreitig Anfang Dezember 2015, also nach der behaupteten Kontrolle der Beklagten und ohne dass bis zum Unfall der Klägerin eine weitere Kontrolle durchgeführt worden wäre, ein ähnlicher Unfall in der …straße ereignet und der davon betroffene Zeuge C. D. seinen Schaden bei der Beklagten gemeldet hatte. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung ausdrücklich unstreitig gestellt, dass der Zeuge C. D. Schäden an seinem Fahrzeug ihr gegenüber gemeldet hatte, und sie hat lediglich geltend gemacht, dass sich die Beschädigungen der Teerdecke im Falle des Herrn C. D. an anderer Stelle der …straße befunden hätten (Bl. 18 d. A. oben).

d) Der Klägerin kommt auf der Grundlage der obigen Rechtsausführungen der Beweis des ersten Anscheins hinsichtlich des Verschuldens der Beklagten zu Gute, weil feststeht, dass der verkehrswidrige Zustand der …straße seit Anfang Dezember 2015 und damit bereits so lange angedauert hat, dass in dieser Zeit vor dem Unfall vom 04.02.2016 Kontrollen hätten stattfinden müssen.

aa) Unter Berücksichtigung der überzeugenden Parteierklärungen der Klägerin und der Zeugenaussagen stellte spätestens seit dem Unfall des Zeugen C. D. der in Teilbereichen mangelhafte Verbund der Asphaltdecke einen objektiv verkehrswidrigen Zustand im Sinne einer abhilfebedürftigen Gefahrenquelle dar. Der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Klageschrift, wonach die Straße selbst sich in einem grundsätzlich guten Zustand befinde (Bl. 3 d. A.), ist demgegenüber unbeachtlich. Tatsächliche Erklärungen auch einer nicht postulationsfähigen Partei in der mündlichen Verhandlung sind in jedem Fall als Sachvortrag zu werten, selbst wenn diese in Widerspruch zu den schriftsätzlichen Ausführungen des Prozessbevollmächtigten stehen. Der Rechtsanwalt erhält seine Informationen ausschließlich von seiner Partei. Wenn sein Mandant in der mündlichen Verhandlung in seiner Anwesenheit von dem schriftsätzlichen Vortrag Abweichendes erklärt, ist im Zweifel von einem Informationsfehler zwischen Anwalt und Mandant auszugehen, ferner davon, dass der Anwalt sich stillschweigend den Vortrag seines nicht postulationsfähigen Mandanten zu eigen macht (BGH MDR 1982, 834; NJW 1990, 3085; Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht 11. Aufl. Teil A Rn. 19).

(1) Die Klägerin hat den Straßenzustand und den Unfallhergang im Einzelnen nachvollziehbar beschrieben. Demgemäß ist die …straße in Teil-strecken erheblich beschädigt. Es gibt dort Schlaglöcher und desolate Stellen, wenn auch nicht an der konkreten Unfallstelle, doch zeigen sich dort Risse in der Fahrbahndecke und Rillen. Die Klägerin hat insoweit auf ihrem Handy Aufnahmen von der Unfallstelle gezeigt, auf denen nach der Beschreibung des Landgerichts „auf der Straße leichte Rissbildungen vermehrt zu sehen sind, die teilweise ausgebessert sind, teilweise nicht.“ (Bl. 60 d. A.). Sie hat weiter erklärt, dass sie von zu Hause aus der Straße Im L. in die …straße einbog und es in Höhe des Anwesens Nr. XX auf einmal knallte. Für sie war zunächst nicht ersichtlich, was überhaupt passiert war, sie drehte, fuhr zur betreffenden Stelle zurück und fand drei Teerbrocken vor, die sie aufhob, bei sich verwahrte und dem Landgericht im Beweisaufnahmetermin vorgelegt hat (Bl. 59 d. A.). Da an dieser Stelle zuvor kein Schlagloch war, hat die Klägerin den Unfall plausibel damit erklärt, dass die Teerbrocken herausgelöst wurden, als sie mit dem Vorderrad über diese Stelle gefahren war (aaO). Die von der klagenden Partei beschriebene Schadstelle zur Fahrbahnmitte hin passt ohne weiteres zum Schadensbild an der hinteren linken Tür des Pkw. Die Erklärungen der Klägerin werden durch die in der Berufungsverhandlung von beiden Parteien auf Anforderung durch den Senat vorgelegten Lichtbilder bestätigt. Diese zeigen insgesamt drei Teerbrocken, von denen der größte eine Länge von gut 30 cm hat (Bl. 128 d. A.). Diese Brocken passen augenscheinlich zu der (inzwischen wieder verfüllten) Stelle an der Mitte der offenbar mit Bitumen oder ähnlichem Material geschlossenen Fuge zwischen den beiden Fahrbahnen, an der das Fahrzeug der Klägerin beschädigt wurde (Bl. 124 bis 126, 129 d. A.).

(2) Die Zeugin Lena L. Sch., die Tochter der Klägerin, hat anschaulich ausgesagt, dass die gesamte …straße „kaputt und oft geflickt“ ist und mehrere Löcher aufweist (Bl. 64 d. A. unten).

(3) Der Zeuge C. D. hat ausgesagt, er habe Anfang Dezember 2015 die …straße befahren und auf einmal einen Schlag gegen sein Fahrzeug bemerkt. Es habe sich eine Teerplatte von circa 25 cm mal 30 cm Größe und 8 cm Dicke von der Fahrbahn gelöst und den Unterboden und den „Kraftstoffkühler“ seines Fahrzeugs beschädigt. Den Schaden habe er bei dem Polizeiposten N. gemeldet, von wo aus die Schadensmeldung an die Beklagte weitergeleitet worden sei. Der Bauhof der Beklagten habe die Schadstelle ausgefüllt (Bl. 69 d. A.). Diese Aussage ist nachvollziehbar, widerspruchsfrei, überzeugend und damit glaubhaft. Der Zeuge hat unter Offenlegung aller ihm nicht mehr erinnerlichen Einzelheiten (z. B. Unfalltag am 01. oder am 02.12.2015) den Straßenzustand und den Unfallhergang plausibel und lebensnah beschrieben. Demnach sah die Fahrbahn an seinem Unfalltag zunächst aus wie immer, d. h., es gab schon geflickte Schadenstellen, deren Risse augenscheinlich verfüllt waren. Hingegen lagen keine Gegenstände auf der Fahrbahn und waren auch keine offenen Schlaglöcher zu erkennen (Bl. 69 d. A.).

(4) Diese Angaben werden durch das in der Berufungsverhandlung von beiden Parteien vorgelegte Lichtbildmaterial bestätigt. Dieses zeigt den Zustand der …straße, die zwar keine offenen Schlaglöcher, aber zahlreiche, teilweise verfüllte bzw. vergossene Risse, vor allem zur Fahrbahnmitte hin aufweist. Sowohl im Fall des Zeugen C. D. als auch im Fall der Klägerin kam es zur Ablösung größerer Stücke aus dem Fahrbahnbelag an der Mitte der offenbar mit Bitumen oder ähnlichem Material geschlossenen Fuge zwischen den beiden Fahrbahnen (Fall C. D.: Bl. 123/124, 134 bis 139 d. A.; Fall der Klägerin: Bl. 124 bis 126, 129 bis 133 d. A.). Die Schadensstelle C. D. befindet sich in Höhe der Ausfahrt eines mit dem Schriftzug „Feuerwache“ und zwei großen Rolltoren versehenen Gebäudes (Bl. 134 d. A.). In der Berufungsverhandlung haben die Parteien unstreitig gestellt, dass die beiden Schadensstellen des Zeugen C. D. und der Klägerin etwa 63 m auseinander sind (Bl. 118 d. A., vgl. Kartenausdruck Bl. 127), was eine vergleichsweise geringe Entfernung darstellt.

(5) Spätestens das Schadensereignis Anfang Dezember 2015 bot somit für die Beklagte Veranlassung zum Tätigwerden. In erster Linie hätte eine Kontrolle der gesamten …straße durchgeführt werden müssen, die unstreitig unterblieben ist. Selbst wenn eine sofortige Sanierung, d. h. nicht nur ein Verfüllen der schadhaften Stelle im Falle des Zeugen C. D., nicht möglich gewesen wäre, hätten geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verkehrs auf der Straße wie das Aufstellen von Warnschildern, eine Sperrung für den Schwerlastverkehr oder eine Herabsetzung der zulässigen Geschwindigkeit geprüft werden müssen.

 

bb) Auf Grund des fast zwei Monate vor dem Unfall der Klägerin bestehenden verkehrswidrigen Zustands der …straße ist zu Lasten der Beklagten zu vermuten, dass der Gefahrenzustand bei sorgfältigen Kontrollen hätte erkannt werden müssen. Den Gegenbeweis durch Vorlage eines unterschriebenen Kontrollbuchs kann die Beklagte schon deswegen nicht führen, weil ein solches Kontrollbuch bei ihr offensichtlich nicht existiert. Sie hat auch keine konkreten Umstände dargelegt, aus denen sich ergibt, dass die Gefahrenstelle auch bei sorgfältigen Überprüfungen nicht hätte erkannt werden können.

cc) Allerdings hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe jedenfalls nicht nachweisen können, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung „des beklagten Landes“ – gemeint wohl: der beklagten Gemeinde – kausal für den Unfall gewesen sei. Dies folge daraus, dass die Kausalität üblicherweise fehle, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass es zu dem Unfallereignis auch bei Einhaltung aller gebotenen Sicherungspflichten, insbesondere regelmäßiger Kontrollen, gekommen wäre. Selbst durch engmaschigere Überwachungen wäre der streitgegenständliche Unfall nicht nachweisbar verhindert worden. Selbst bei Durchführung einer zweiwöchigen oder gar wöchentlichen oder täglichen Kontrolle – die nicht gefordert werden könnten – könne die Lockerung im Fahrbahnbelag bzw. das Aufreißen bereits bestehender kleiner Risse erst kurze Zeit vor dem Befahren der Stelle durch die Klägerin entstanden sein, etwa wenn ein anderes Fahrzeug über die Stelle gefahren sei. Dies könne, etwa wenn ein Lkw kurz zuvor über die Stelle gefahren sei, in Minuten geschehen sein. Bei schlechtem Wetter und eindringendem Wasser oder Frost hätte eine Kontrolle auch einige Stunden zuvor am selben Tag stattfinden und die Anfälligkeit der Fahrbahndecke erst danach entstanden sein können (Bl. 85 f. d. A.).

Diesen Überlegungen kann in materiell-rechtlicher und prozessualer Hinsicht nicht gefolgt werden.

(1) In materieller Hinsicht fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit dem oben dargestellten Anscheinsbeweis (vgl. Tassarek-Schröder/Rönsberg in Rotermund/Krafft, aaO Rn. 596) und den Voraussetzungen, unter denen die Gemeinde den Gegenbeweis führen kann. Letztlich hat das Landgericht die Funktion der Kontrollpflicht der Gemeinde nicht zutreffend erfasst. Kontrollen wären sinnlos und damit überflüssig, wenn darauf abgestellt würde, dass Schadensfälle selbst bei unterstellt äußerst kurzen Kontrollabständen („auch einige Stunden zuvor am selben Tag“) niemals auszuschließen sind. Die Durchführung von Kontrollen dient der Feststellung etwaiger gefahrenträchtiger Zustände und damit der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führen kann, umfasst nicht jede denkmögliche Sicherheitsmaßnahme; ihr ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (BGH NJW 2004, 1449, 1451). Da die Verkehrssicherungspflicht nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren besteht (vgl. Palandt/Sprau, BGB 76. Aufl. § 839 Rn. 38 in Verbindung mit § 823 Rn. 46), kommt es auch für Art und Umfang der Kontrollen auf ebendiesen Rahmen und nicht auf einen absoluten Gefahrenausschluss an.

(2) Im Übrigen hält der Senat die Erwägungen des Landgerichts in prozessualer Hinsicht für bedenklich. Insoweit fehlt es an einem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten. Die Beklagte hat lediglich behauptet, turnusmäßige Kontrollen, zuletzt am 23.11.2015, durchgeführt zu haben, bei denen die schadhafte Stelle für sie nicht erkennbar gewesen sei (Bl. 17 f., 40 d. A.). Der Vortrag der Berufungserwiderung, auch bei engmaschigeren Kontrollen wäre für die Beklagte nicht vorhersehbar gewesen, dass sich die Teerbrocken aus der Straße lösen würden (Bl. 107 d. A.), ist demgegenüber neu und gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Darüber hinaus bleibt unklar, welche Zeitabstände mit engmaschigeren Kontrollen gemeint sein sollen.

 

e) Für eine Mithaftung der Klägerin nach § 254 BGB ist nach Ansicht des Senats unter den gegebenen Umständen kein Raum.

aa) Ein Verstoß der Klägerin gegen die Verkehrsvorschriften der § 3 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 StVO (innerörtliche Geschwindigkeit) ist nicht ersichtlich. Eine Schadensminderung kann sich aber auch aus der bloßen Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs des Geschädigten ergeben. In der Rechtsprechung wurde mehrfach entschieden, dass sich ein Autofahrer, der infolge einer mangelhaften Straße einen Schaden erleidet, regelmäßig die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs (vgl. § 7 Abs. 1 StVG) anrechnen lassen muss (OLG Dresden DAR 1999, 122; OLG Celle NZV 2007, 569; OLG Jena MDR 2009, 1391; Scheidler NZV 2011, 422, 425). Ausnahmsweise kann sich die Betriebsgefahr im Einzelfall nicht schadensmindernd auswirken, wenn z. B. feststeht, dass der Schaden auch von einem Idealfahrer nicht zu vermeiden gewesen wäre oder der Geschädigte hinter einem anderen Fahrzeug fuhr und ein Schlagloch deshalb nicht bereits in einem Zeitpunkt sichtbar war, in dem er noch hätte ausweichen können (LG Halle DAR 1999, 28; Scheidler NZV 2011, 422, 426).

bb) Nach diesen Maßstäben ist eine Mithaftung allein auf Grund der Betriebsgefahr hier nicht gegeben. Es geht nicht um die Erkennbarkeit eines tiefen Schlagloches für den Pkw-Fahrer, sondern um die Frage der Vorhersehbarkeit eines plötzlichen Frostaufbruchs mit der Folge des Abplatzens großer Asphaltstücke. Überdies ereignete sich der Unfall, wie sich aus der Erklärung der Klägerin und den Zeugenaussagen ergibt, bei Dunkelheit. Die Klägerin hat bei der Anhörung durch das Landgericht auf Befragen der Beklagtenvertreterin nachvollziehbar erklärt, dass sie ihre Tochter gegen 19 Uhr abends weggefahren hatte, es schon dunkel war und man den Straßenbelag nicht näher erkennen konnte. Die Klägerin erinnert sich insoweit noch, dass an dem Unfalltag Weiberfastnacht war (Bl. 61 d. A. oben). Der 04.02.2016 war in der Tat der so genannte „Fette Donnerstag“. Die Zeugin Lena L. Sch., die Tochter der Klägerin, hat ebenfalls bekundet, dass sie zwar nicht mehr die genaue Uhrzeit angeben kann, es aber abends und schon dunkel war (Bl. 65 d. A. oben). Dazu passt die Aussage der Zeugin H. Sch., die den Unfall als Polizeibeamtin zeitnah aufnahm, dass sie „natürlich, um das Loch zu suchen, eine Taschenlampe benutzt“ habe (Bl. 67 d. A. oben).

f) Der geltend gemachte Schaden ist in Höhe einer Hauptforderung von 929,80 € und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 €, jeweils nebst Rechtshängigkeitszinsen, zu ersetzen.

aa) Der von der Beklagten bestrittene Fahrzeugschaden der Klägerin in Höhe von 904,80 € netto ist auf Grund des vorgelegten Kostenvoranschlags hinreichend wahrscheinlich (§ 287 ZPO). Rechnet der Geschädigte die gedachten Kosten einer Reparatur ab, darf er grundsätzlich die Berechnung eines von ihm eingeschalteten Sachverständigengutachters bzw. den Kostenvoranschlag einer von ihm beauftragten Werkstatt seiner Abrechnung zu Grunde legen (Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR 1. Aufl. § 249 BGB Rn. 140).

(1) Die Beklagte hat die Angemessenheit der ermittelten Reparaturkosten bestritten und eingewandt, auf Grund der hohen Laufleistung von 196.558 km und des Alters von 13 Jahren sei bei dem Fahrzeug der Klägerin davon auszugehen, dass an dem Pkw erhebliche Vorschäden durch Steinschlag und Ähnliches vorhanden gewesen seien, die in dem vorgelegten Kostenvoranschlag nicht berücksichtigt würden (Bl. 18 d. A.).

(2) Da es sich vorliegend um einen Bagatellschaden handelt, der Unfallhergang von der Klägerin einleuchtend beschrieben ist und keinerlei Anhaltspunkte für eine Manipulation bestehen, hält der Senat indessen den Kostenvoranschlag für ausreichend, in dem insbesondere die einzelnen Leistungen zur Schadensbeseitigung an der linken Fahrzeugseite verzeichnet sind (Bl. 9 f. d. A.). Die Zeugin H. Sch. hat nachvollziehbar erklärt, dass sie auf Grund der Unfallmeldung von ihrer Polizeianschrift zur Anschrift der Klägerin fuhr und sich zusammen mit ihrem Kollegen G. das Fahrzeug der Klägerin anschaute. Soweit sich die Zeugin H. Sch. noch erinnert, war auf der linken Seite der Unterboden beschädigt und lagen auch an der Tür hinten links frische Kratzspuren vor (Bl. 66 d. A.). Für von der Beklagten in den Raum gestellte Vorschäden gibt es hingegen keine Anhaltspunkte. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz dahin, dass bei einem Fahrzeug mit einer Laufleistung von 196.558 km und einem Alter von 13 Jahren solche Vorschäden vorhanden sein müssten.

bb) Die von der Klägerin mit 30 € bezifferte Kostenpauschale ist unter Berücksichtigung der ständigen Senatsrechtsprechung (z. B. NJW-RR 2015, 223, 227 Rn. 62 m. w. Nachw.; ebenso Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 3 Rn. 106) auf 25 Euro festzusetzen. Typischerweise entstehen durch Unfallereignisse Auslagen wie Telefon-, Porto- und Fahrkosten kleineren Umfangs. Soweit solche Aufwendungen nicht im Einzelnen belegt werden können, dürfen sie im Rahmen einer Unfallkostenpauschale geschätzter Höhe beansprucht werden. Sie sind angesichts der vorstellbaren tatsächlichen Belastung bei pauschaler Berechnung mit 25 € regelmäßig – und so auch hier – angemessen bewertet (Senat NJW-RR 2015, 223, 227 Rn. 62 m. w. Nachw.; ebenso Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 3 Rn. 106).

cc) Der Berufungsantrag zu 2, mit dem die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin weiterverfolgt, ist interessengemäß als Freistellungsantrag auszulegen und hat in der Sache Erfolg.

(1) Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens werden nicht allein durch den Wortlaut des Antrags bestimmt. Dieser ist unter Berücksichtigung der Klagebegründung auszulegen (BGH NJW-RR 1998, 1005; 2012, 872 Rn. 23). Denn der prozessuale Anspruch im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, festgelegt (BGH WM 2015, 1679 Rn. 14). Bei der Auslegung des Klageantrags ist im Zweifel wegen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (BGH WM 2016, 1599, 1600 Rn. 12). Diese Grundsätze führen zur Auslegung des Klageantrags zu 2 als Antrag auf Freistellung der Klägerin von einer Verbindlichkeit. In Bezug auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten kommt rechtlich grundsätzlich ein Anspruch der Klägerin auf Freistellung oder, unter den Voraussetzungen des § 250 BGB, ein Anspruch auf Zahlung in Betracht. Der Zahlungsanspruch der Klägerin wäre auch ohne Fristsetzung zu bejahen, wenn der Schädiger eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er die Leistung ablehnt (jurisPK-BGB/Rüßmann, 8. Aufl. § 250 BGB Rn. 7). Ein unmittelbarer Anspruch der beauftragten Rechtsanwaltssozietät auf Zahlung gegen den Schädiger liegt fern, da dieser eine Abtretung des Anspruchs vom Geschädigten (= Schuldner) an die Sozietät (= Gläubiger) voraussetzte. Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob eine Abtretung zum Erlöschen auf Grund einer Konfusion (Schuldner und Gläubiger fallen in der Person der Sozietät zusammen) führen würde. Die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person führt zwar in der Regel zum Erlöschen der Forderung (BGHZ 48, 214, 218). Diese Rechtsfolge ist aber weder gesetzlich vorgeschrieben noch logisch zwingend; vielmehr ist vom Fortbestehen der Forderung auszugehen, wo dies nach der Interessenlage etwa mit Rücksicht auf Rechte Dritter an der Forderung geboten erscheint (BGH NJW 1995, 2287, 2288). Da aber schon eine Forderungsabtretung von der Klägerin an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht ersichtlich ist, bedarf die Frage der Konfusion keiner Beantwortung. Die Auslegung als Freistellungsanspruch wird auch durch die Klagebegründung gestützt, in der es heißt, die Beklagte sei „verpflichtet, die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen Inanspruchnahme des Unterzeichners freizustellen.“ (Bl. 6 d. A. unten).

(2) Der Freistellungsanspruch der Klägerin ist gegeben. Zu den adäquat verursachten und gemäß § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schadensfolgen rechnen auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, soweit sie aus sachgerechten und vernünftigen Maßnahmen der Rechtsverfolgung erwachsen (Staudinger/ Wöstmann, BGB Neubearb. 2013 § 839 Rn. 244). Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH NJW 2012, 2194 Rn. 8). Die Beklagte hat die von der angemessenen 1,3 Geschäftsgebühr ausgehenden Darlegungen in der Klageschrift (Bl. 7 d. A.) zu den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht in Frage gestellt. Die Korrektur der allgemeinen Kostenpauschale von 30 € auf 25 € und damit des Gegenstandswerts von 934,80 € auf 929,80 € führt nicht zu einer Verringerung des Gebührensatzes.

dd) Als Zinsanspruch stehen der Klägerin Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 Halbs. 1, 187 Abs. 1 BGB ab dem auf die Zustellung an den Beklagten (14.06.2016, Bl. 14 d. A. Rücks.) folgenden Tag (vgl. BGH NJW 2013, 2739, 2742 Rn. 29: Palandt/Ellenberger, aaO § 187 Rn. 1 a. E.) zu, also ab dem 15.06.2016. Einen früheren Zeitpunkt der Verzinsung unter dem Gesichtspunkt des Verzuges hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. In der Klageschrift ist ohne jede Darstellung einer verzugsbegründenden Handlung ausgeführt worden, der beanspruchte Verzugszins ergebe sich „aus dem Gesetz und dem Grunde nach aus Verzug“ (Bl. 6 d. A.).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.