Dieser Beschluss ist schon etwas älter, wurde mir aber erst vor Kurzem zugesandt und erinnert an eine verfahrensrechtliche Besonderheit im OWiG, die man als Verteidiger in Verkehrssachen im Hinterkopf behalten sollte: Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wegen unvollständiger Akteneinsicht (§ 62 OWiG) führt nicht zu einer Unterbrechung der Verfolgungsverjährung gemäß § 33 OWiG; es bleibt also bei der Verjährungsfrist, die in der Regel im Zusammenhang mit einer vorherigen Anhörung des Betroffenen oder dem Bußgeldbescheid letztmalig unterbrochen wurde. Arbeitet nun das angerufene Gericht langsam und trifft die Verwaltungsbehörde keine weiteren Maßnahmen im Sinne des § 33 OWiG, kann es während des Rechtsbehelfsverfahrens zum Verjährungseintritt kommen, wie beispielsweise auch hier. Diese Verjährung führt nach Ansicht des AG Marburg zudem dazu, dass ein Recht auf Auskunftserteilung aus der Akte (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 Abs. 7 StPO a.F.) mangels Notwendigkeit einer (weiteren) Verteidigung nicht mehr besteht, wohl aber auf Akteneinsicht gemäß § 49 Abs. 1 OWiG.

AG Marburg, Beschluss vom 05.10.2015 – 57 OWi 37/15

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung wird soweit es die Entscheidung der Verwaltungsbehörde betrifft, dem Betroffenen Auskünfte aus der Akte nicht zu erteilen, als unbegründet verworfen.

Soweit die Entscheidung der Verwaltungsbehörde die Verweigerung der hilfsweise geltend gemachten Akteneinsicht betrifft, wird unter Aufhebung dieser Entscheidung dem Betroffenen Akteneinsicht unter Aufsicht gewährt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens soweit sein Antrag erfolglos geblieben ist.

Gründe:

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG ist zulässig, aber teilweise als unbegründet zu verwerfen.

Unabhängig davon, ob die Entscheidung der Verwaltungsbehörde in der Sache rechtmäßig war. liegen zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht die Voraussetzungen der Auskunftserteilung gem. § 147 Abs. 7 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG nicht mehr vor. Die Auskunftserteilung ist zur angemessenen Verteidigung des Betroffenen nicht mehr erforderlich, da Verjährung eingetreten ist. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist kein Unterbrechungstatbestand gem. § 33 OWiG.

Da das Recht auf Akteneinsicht gem. § 49 Abs. 1 OWiG kein konkretes Verteidigungsinteresse des Betroffenen voraussetzt, hat der Betroffene weiterhin das Recht, unter Aufsicht Akteneinsicht zu nehmen.