In der straßenverkehrsrechtlichen Praxis ist die Frage relevant, ob und wie Private bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten mitwirken dürfen. Meist geht es dabei um Geschwindigkeitsverstöße oder – wie hier – um Parkverstöße. Das AG Tiergarten hat hierzu in seinem Urteil vom 24.04.1996 (Az. 304a OWi 467/96; NStZ-RR 1996, 277) entschieden:

Denn die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Verkehrsüberwachung ist eine typische Hoheitsaufgabe, die zum Kernbereich staatlicher Verwaltung gehört. Zur Mitwirkung bei der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten sind Privatpersonen wie der Zeuge A und die Arbeitsgemeinschaft “X” grundsätzlich nicht befugt. Die Verkehrsüberwachung ist Ausfluß der Zuständigkeit für die Verfolgung von Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten (§ 36 I Nr. 1 OWiG, § 26 I 1 StVG). (…) Zur Verfolgung gehört auch die selbständige und eigenverantwortliche Ermittlungsarbeit. In dieser Ermittlungsarbeit ist der Beginn der Verfolgungshandlung zu sehen. (…)

Die Übertragung solcher Verfolgungsaufgaben an Private setzt deren Beleihung voraus. Sie ist nicht unter dem Aspekt des Verwaltungshelfers (wie z.B. bei Abschleppunternehmen im Rahmen der Umsetzung falsch geparkter Kraftfahrzeuge) denkbar. Denn die Arbeit des Verwaltungshelfers stellt eine untergeordnete Tätigkeit dar, da der Verwaltungshelfer nur auf Anweisung der Polizei tätig wird, anders also bei der selbständigen Tätigkeit des Privaten im Bereich der Parkraumüberwachung.Eine Beleihung Privater steht jedoch unter dem Gesetzesvorbehalt, d.h. sie erfordert eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Eine solche Ermächtigungsgrundlage ist im Ordnungswidrigkeitengesetz nicht vorhanden und wäre auch unvertretbar, denn sie wäre verfassungswidrig. Sie verstieße gegen das Rechtsstaatsprinzip und gegen Art. 33 IV GG. Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist seinem materiellen Gehalt nach Strafrecht und Strafprozeßrecht. Es dient als Verfahrungsrecht der Festlegung von Rechtsfolgen für begangenes Unrecht. Einziger Unterschied zum Strafrecht und Strafprozeßrecht ist das geringere Unwerturteil. Es bleibt aber im Ergebnis eine Form der Anwendung von Repressivgewalt gegen einen die bestehende Rechtsordnung mißachtenden Täter. Die darauf gerichtete Tätigkeit ist deshalb ihrem Wesen nach Strafverfolgung und gehört zum Kernbereich der Staatlichkeit. Als Bestandteil der Rechtspflege fällt die Strafverfolgung in den Bereich der “originären Staatsaufgaben” (BVerfGE 17, 371 = NJW 1964, 1515), die nach Art. 33 IV GG nur an “Angehörige des öffentlichen Dienstes” übertragen werden können, die in einem “öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis” stehen. Sie kann an Private nicht übertragen werden, ohne das Rechtsstaatsprinzip zu verletzen.

Das Amtsgericht ging außerdem von einem Beweisverwertungsverbot aus. Das Rechtsmittelgericht hat den Freispruch des Betroffenen bestätigt (KG Beschluß vom 23.10.1996, 2 Ss 171/96- 3 Ws (B) 406/96; DAR 1996, 239):

Fest steht jedenfalls, daß sich die Tätigkeit der Angestellten der privaten Unternehmen, wie sie der Berliner Parkraumbewirtschaftungskonzeption zugrundeliegt, nicht mehr nur als generelle, d.h. Allgemeingefahren abwehrende Verkehrsüberwachung erweist, sondern bereits individuellen Eingriffscharakter besitzt und damit den Beginn staatlicher “Verfolgung” darstellt. (…) Demzufolge handelt es sich bei der den privaten Ermittlern aufgetragenen Tätigkeit der Sache nach nicht mehr lediglich um allgemeine Prävention, sondern um bewußt eingesetzte Repression (Verfolgung und Ahndung begangenen Unrechts), die wegen ihres Eingriffscharakters jedenfalls einen belegten Anfangsverdacht voraussetzt. (…)

Indem die privaten Ermittler die Verkehrszuwiderhandlung nach Tatort, Tatzeit und nach polizeilichem Kennzeichen in ihr elektronisches Erfassungsgerät eingeben und dies dem Führer des betreffenden Kraftfahrzeuges durch unter den Scheibenwischer geklemmte schriftliche Notiz mitteilen, wird dieser Fahrer zum “Betroffenen” eines Bußgeldverfahrens erklärt und damit der Beginn ordnungswidrigkeitenrechtlicher “Verfolgung” markiert, wie sie nach § 26 Abs. 1 Satz 1 StVG ausschließlich der Polizei und ihr angegliederten Dienststellen vorbehalten ist.

Zum Beweisverwertungsverbot führt das Kammergericht aus:

Bei dieser Gesetzes- und Rechtslage hat es das Amtsgericht zu Recht abgelehnt, die beweismäßigen Ergebnisse der in gesetzwidriger Weise durch Angestellte eines Privatunternehmens durchgeführten Verkehrsüberwachung gegen den Betroffenen zu verwenden. Ungeachtet der Tatsache, daß die gesetzwidrige Beweiserhebung nur in vergleichsweise geringem Umfang in grundrechtlich geschützte Belange des Betroffenen eingreift und die Beweisergebnisse letztlich auch auf ordnungsgemäßem Wege hätten erlangt werden können, unterliegen sie jedenfalls dann einem Beweisverwertungsverbot, wenn sie zu Lasten des Betroffenen unter bewußter Mißachtung geltender gesetzlicher Bestimmungen erlangt sind.

Beide Entscheidungen können in der Datenbank von beck online nachgelesen werden.