In Bußgeldverfahren beauftragen Verteidiger die GFU und andere Sachverständigenbüros zur Begutachtung von Geschwindigkeitsmessungen. Dann ist es eine übliche Vorgehensweise der Verteidiger, bei digitalen Messgeräten die Messdateien bzw. die Rohdaten der Messungen bei der Verwaltungsbehörde anzufordern. Nur so hat der Sachverständige die Möglichkeit, bestimmte, nicht offensichtliche Fehler bei der Messung aufzudecken. Daher besteht auch ein Anspruch gegen die Behörde auf Herausgabe dieser Daten. In zwei Verfahren in letzter Zeit (Messsystem PoliScan Speed) ist das allerdings vermutlich nicht mehr möglich. In den jeweiligen Akten der Behörde waren Vermerke des Verantwortlichen für die Auswertung enthalten, dass er diese Messdaten gelöscht hat. Und zwar ohne vorherige Anhörung der Verteidiger. Bei der Person handelte es sich übrigens nicht um einen Mitarbeiter der Behörde, sondern einer Privatfirma, die u. a. mobile Geschwindigkeitsmessungen durchführt und die gewonnenen Messdaten anschließend “aufbereitet”.

Die Rohdaten aus der Messung an der

Messstelle … vom …

wurden enstprechend dem Schreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport und den darin enthaltenen Vorgaben des Hessischen Datenschutzbeauftragten vom 15.12.09 physikalisch gelöscht.

(Unterschrift)

Auch die zitierte Vorgabe des Datenschutzbeauftragten war dort abgedruckt:

Der Hessische Datenschutzbeauftragte hat diesem Verfahren [Anmerkung: Vorauswertung durch private Dienstleister] mit der Maßgabe zugestimmt, dass nach Abschluß der Dienstleistung alle Datenträger an die Ordnungsbehörde zu übergeben, alternativ eine physikalische Löschung der Rohdaten erfolgen muss, welche den Ordnungsbehörden zu protokollieren ist….” Zitat aus dem Schreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 15.12.09

Die Situation erinnert ein wenig an die Fälle von Beweisvereitelungen im Zivilprozess. Ein “Hoffnungsschimmer” für die Betroffenen wäre noch, falls bei der Behörde eine Sicherungskopie vorhanden ist, was bisher ungeklärt ist. Problematisch an der “Datensparsamkeit” der Behörde / der Privatfirma ist, dass dadurch evtl. die Betroffenen entlastendes Material vernichtet worden ist. Den Verteidigern dürfte es nun erheblicher schwerer fallen, auf Fehler bei der Messung hinzuweisen. Und das  Amtsgericht, dass sehr wahrscheinlich der Rechtsprechung des zuständigen OLG Frankfurt folgen wird, wird sagen, dass es sich bei PoliScan Speed nun einmal um ein standardisiertes Messverfahren handelt, also Hinweisen auf Messfehler erst bei konkreten Einwendungen nachgegangen werden muss und ansonsten die Betroffenen verurteilt werden können. Diese Konsequenz wäre hier wohl schwer mit der Garantie auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren zu vereinbaren – schließlich wurden die Daten als Grundlagen für eventuelle Beanstandungen innerhalb des Verantwortungsbereichs der Bußgeldbehörde gelöscht. Andererseits könnte man womöglich sogar über ein Verfahrenshindernis nachdenken.

Eine Entscheidung oder Kommentierung zu einem ähnlichen Fall konnte ich bisher nicht finden. Was meinen die Leser, wie man das Problem lösen könnte? Bitte kommentieren!