Der Betroffene fuhr innerhalb eines Bereichs mit 50 km/h Höchstgeschwindigkeit 87 km/h schnell. Damit war er wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, 24 StVG zu verurteilen. 11.3.6. BKatV sieht in solchen Fällen eine Regelgeldbuße von 160,00 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot vor. Der Betroffene hat sich jedoch auf berufliche Härten berufen, die mit einem einmonatigen Fahrverbot verbunden seien. Er lebe in Südkirchen und sei, nachdem seine bisherige Arbeitgeberin den Bäckereibetrieb vor einigen Monaten eingestellt habe, nunmehr in Werne in einer Bäckerei als Bäcker beschäftigt. Dort müsse er täglich ab 2:00 Uhr nachts arbeiten. Da er seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zuverlässig aufsuchen könne, drohe ihm eine Kündigung. Dadurch, dass im Arbeitsvertrag des Bäckers eine Probezeit von drei Monaten vorgesehen ist, wäre nach § 622 Abs. 3 BGB eine Kündigung mit einer Frist von zwei Wochen möglich. Unabhängig davon, ob im konkreten Fall der betriebliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet wäre (vgl. § 23 KSchG), ist jedenfalls der persönliche Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1 KSchG) nicht eröffnet, sodass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Im Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Koblenz, Beschl. v. 23.04.2014, 2 SsBs 14/14 m. w. Nachw.) hat sich das AG Lüdinghausen nicht auf den Vortrag des Betroffenen verlassen, sondern die Geschäftsführerin als Zeugin vernommen. Diese hat den Vortrag des Betroffenen bestätigt (AG Lüdinghausen, Urt. v. 23.05.2016, 19 OWi – 89 Js 821/16 – 81/16).

Es stellt sich jedoch im Kontext eines drohenden Fahrverbotes die Frage, ob es dem Betroffenen auf andere Art und Weise möglich wäre, auch ohne sein Auto oder öffentliche Verkehrsmittel den Arbeitsplatz zu erreichen. Die Strecke zwischen Südkirchen und Werne beträgt etwa 10 km, sodass ein Fußmarsch circa zwei Stunden in Anspruch nehmen würde. Das ist nicht zumutbar. Mit dem Fahrrad kann diese Entfernung in knapp 30 Minuten zurückgelegt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass das Fahrverbot – die Entscheidung datiert vom Mai 2016 – in eine „fahrradfreundliche“ Jahreszeit fallen würde, hätte das Gericht diese Möglichkeit wohl in seine Prüfung einbeziehen müssen.

Das AG Lüdinghausen hat in dieser Entscheidung – anders als in einer Entscheidung vom 18.01.2016 (19 OWi 214/15, 19 OWi – 89 Js 2283/15 – 214/15, Rn. 24) nicht diskutiert, ob es dem Betroffenen möglich und zumutbar gewesen wäre, für die Dauer des Fahrverbots einen Fahrer anzustellen oder auf Taxifahrten zurückzugreifen. Das hängt sicher damit zusammen, dass der Betroffene gerade erst seinen bisherigen Arbeitsplatz verloren hatte und nur über geringe finanzielle Mittel verfügte. In diese Richtung deutet, dass es dem Betroffenen gestattet wurde, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 30,00 Euro zu zahlen. Ob der Betroffene von Familienangehörigen oder Freunden zum Arbeitsplatz gefahren werden könnte, wurde wohl nicht thematisiert, weil dessen Arbeitszeit um 2:00 Uhr nachts begann.

Diese Entscheidung macht wieder einmal deutlich, inwiefern das Verkehrsrecht mit dem Arbeitsrecht verknüpft sein kann. Denn im Rahmen der vom Amtsgericht zu prüfenden beruflichen Härte stellt sich die arbeitsrechtliche Frage einer drohenden Kündigung. Dazu muss der Bußgeldrichter auch die Rechtslage im Arbeitsrecht einschätzen können.

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 320,00 EUR verurteilt.

Ihm wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 30,00 EUR jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit dem 1. des Folgemonats nach Erhalt der Zahlungsaufforderung, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.

(§§ 3 III, 49 StVO, 24 StVG)

Tatbestandsnummer: wie Bußgeldbescheid

Gründe

Der verkehrsrechtlich bislang unbelastete Betroffene befuhr am 30.12.2015 um 15:15 Uhr in Nordkirchen-Südkirchen die Capeller Straße im Bereich der Bushaltestelle Graf-von-Galen-Straße in Fahrtrichtung innerorts. Er fuhr mit einem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … . Der Betroffene hatte 90 m vor einer Messstelle des Kreises Coesfeld, der mit dem Messgerät Leivtec XV3 gemessen wird, das Ortseingangschild passiert. Ihm war die Örtlichkeit bekannt. Ihm war auch bekannt, dass sich an der Örtlichkeit das Ortseingangschild befindet. In einem Bereich von etwa 40-30 m vor dem Messgerät wurde dann eine Geschwindigkeitsmessung ausgelöst, die für das Fahrzeug des Betroffenen eine Geschwindigkeit von 87 km/h ergab. Abzüglich einer Toleranz von 3 km/h ergab sich sodann eine Geschwindkeits-überschreitung um 34 km/h.

Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass er sich nicht vorstellen könne, am Tatort so schnell gewesen zu sein. Das Gericht hat jedoch den Zeugen R vernommen, der das fragliche Messgerät eingesetzt hat. Dieser bestätigte den Einsatz des Messgerätes entsprechend der Bedienungsanleitung. Messprotokoll und Eichschein wurden urkundsbeweislich verlesen. Auch das Datenfeld des Messfotos mit der gemessenen Geschwindigkeit von 87 km/h konnten urkundsbeweislich verlesen werden. Das Messfoto wurde sodann in Augenschein genommen. Der Betroffene konnte als Fahrzeugführer angesichts des relativ guten Messfotos identifiziert werden. Im Übrigen hat er die Fahrereigenschaft gestanden.

Der Messbeamte R. schilderte den Einsatz des Messgerätes. Er schilderte auch die Kontrolle der Beschilderung vor der Messung. Der Zeuge bestätigte auch, dass die fragliche Beschilderung 90 m vor der Messstelle befindet. Anhand der Aufzeichnungen des Messgeräts konnte der Zeuge auch erklären, dass die Messung des Fahrzeuges des Betroffenen in einem Bereich zwischen 40 und 30 m stattgefunden hat. Dementsprechend stand die Begehung des Geschwindigkeitsverstoßes fest, so dass der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 3 Abs.3, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen war.

Hierfür sieht 11.3.6 Bußgeldkatalog eine Regelgeldbuße von 160,00 Euro ebenso vor, wie ein einmonatiges Fahrverbot.

Tatbezogenen Besonderheiten oder Gesichtspunkte, die auf die Erziehungswirkung des Fahrverbotes zurückwirkten, waren nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.

Jedoch hat sich der Betroffene auf berufliche Härten infolge eines aus seiner Sicht drohenden Arbeitsplatzverlustes berufen. Er ist von Beruf gelernter Bäcker und war bislang in Südkirchen als Bäcker angestellt gewesen. Seine bisherige Arbeitgeberin hat den Bäckereibetrieb jedoch vor einigen Monaten eingestellt – das Gericht kennt aus dienstlichen Fahrten anlässlich von Betreuungsanhörungen in Nordkirchen die leer stehenden Ladenlokale der bisherigen Arbeitgeberin. Aufgrund dieser Arbeitslosigkeit hat der Betroffene sich umgetan und in Werne eine neuen Arbeitsplatz als Bäcker bei der Firma A gefunden. Es handelt sich hierbei um eine Bäckerei mit einer Filiale, in der die Bäckerei betrieben wird und zwei weiteren Filialen, in denen die Backwaren verkauft werden. Geführt wird der Betrieb von der Zeugin B. Diese hat das Gericht in einem Fortsetzungstermin als Zeugin geladen und vernommen. Der Betroffene hat nämlich geltend gemacht, dass er gekündigt und seinen Arbeitsplatz verlieren werde, wenn es zu einer Fahrverbotsanordnung käme. Die Zeugin B bestätigte dies. Sie erklärte, dass ihre beiden Söhne Bäckermeister seien und den Betrieb insoweit – was das eigentliche Backen und Verkaufen angehe – führen würden. Ihre Söhne bräuchten dringend Hilfe in der Bäckerei – die Mitarbeit dulde keinen Aufschub. Man sei froh gewesen, dass man schnell in dem Betroffenen einen geeigneten Bäcker habe finden können. Dieser müsse aber täglich ab 2:00 Uhr nachts zur Verfügung stehen und zwar in Werne. Zu dieser Zeit sei der öffentliche Nahverkehr zwischen Südkirchen und Werne nicht in der Lage, den Betroffenen zuverlässig seinen Arbeitsplatz aufsuchen zu lassen. Die Zeugin erklärte, dass der Betroffene einen Vertrag mit 3-monatiger Probezeit habe. Käme es zu einem Fahrverbot, werde dem Betroffene gekündigt, da Probleme im Geschäft aus ihrer Sicht zwangsläufig die Folge seien. Es sei auch nicht so, dass der Betrieb irgendwie auf den Betroffenen warten könne, bis dieser sein Fahrverbot absolviert habe. Man müsse sich dann schnell einen geeigneten Nachfolger suchen. Das Gericht hat nach dieser Zeugenaussage von der Anordnung eines Fahrverbotes Abstand genommen, da es tatsächlich rechtlich möglich ist, einen Arbeitnehmer innerhalb der Probezeit ohne Begründung zu kündigen. Genau dies hat die Zeugin glaubhaft angekündigt für den Fall der Fahrverbotsanordnung. Damit hat das Gericht einen konkret drohenden Arbeitsplatzverlust für den Fall einer Fahrverbotsanordnung feststellen können (bereits zum Arbeitsverhältnis auf Probe: AG Lüdinghausen, NZV 2008, 105 = DAR 2008, 161). Da der Betroffene keine weiteren Voreintragungen aufwies, hielt es das Gericht für durchaus ausreichend, die Geldbuße zu verdoppeln und vom Fahrverbot abzusehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO, 46 OWiG.