Ich verstehe bis heute nicht die Logik von Behörden, bei Messungen mittels PoliScan Speed dem Verteidiger im OWi-Verfahren den digitalen Falldatensatz seines Mandaten zur Verfügung zu stellen, die Herausgabe von Token-Datei und Passwort aber zu verweigern. Bekanntlich kann der Falldatensatz (.tuff-Datei) nur geöffnet und von einem Sachverständigen ausgewertet werden, wenn ihm zugleich eine Token-Datei und das Passwort vorliegen. Dementsprechend hat auch bisher die ganz überwiegende Rechtsprechung einen Anspruch auf Überlassung dieser Daten anerkannt. Dies wird durch einen aktuellen Beschluss des AG Bitburg bestätigt. Beides (das Passwort wird häufig ebenfalls in einer eigenen Datei / Screenshot gespeichert) könne “problemlos” kopiert und auf einen vom Verteidiger zur Verfügung gestellten CD-Rohling gebrannt werden. Aus der Entscheidung folgt m. E. auch, dass die Verwaltungsbehörde selbst diese Daten zur Verfügung stellen muss und nicht etwa auf die Hessische Eichdirektion verweisen kann, die (regelmäßig und auch in einem mir vorliegenden Schreiben) für “den erheblichen Arbeitsaufwand zur Recherche und Weitergabe” zweier kleiner Dateien eine Gebühr von 150 EUR berechnen möchte (AG Bitburg, Beschluss vom 17.10.2016 – 3 OWi 102/15).

Verteidiger: Rechtsanwalt Stefan Schubert, Auf dem Petrisberg 4, 54296 Trier

1. Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hin wird die Verwaltungsbehörde, das Polizeipräsidium Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle- verpflichtet, dem Betroffenen den Token und das Passwort zum Öffnen der Tuff-Datei betreffend der Messung vom …, Bildnummer … auf einem vom Verteidiger zur Verfügung zu stellenden Datenträger (CD-ROM) zur Verfügung zu stellen.

2. Die Verwaltungsbehörde hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen.

Gründe:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde Polizeipräsidium Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle – dem Verteidiger nicht Token und Passwort zum Öffnen der bereits übersandten Tuff-Datei im Rahmen der Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen, ist zulässig und begründet.

Zur Vorbereitung einer sachgerechten Verteidigung steht dem Betroffenen durch seinen Verteidiger gemäß §§ 46 I OWiG, 147 I StPO ein Akteneinsichtsrecht zu. Dieses richtet sich zunächst auf das eigentliche Beweismittel, die digitale Messdatei (Tuff-Datei). Da diese Datei jedoch – der Verwaltungsbehörde als Einsatzstelle des Messgerätes zuzurechnen – durch das Messgerät verschlüsselt wird, läuft das Akteneinsichtsrecht jedoch faktisch leer, wenn nicht gleichzeitig auch der Schlüssel, d.h. der Token und das zum Öffnen der Tuff-Datei erforderliche Passwort vom Akteneinsichtsrecht umfasst ist. Daher ist dem Betroffenen durch seinen Verteidiger grundsätzlich Akteneinsicht in die digitale Messdatei, den Token und das zugehörige Passwort zu gewähren.

Die Akteneinsicht erfolgt grundsätzlich bei der Verwaltungsbehörde selbst. Jedoch steht dem Betroffenen durch seinen Verteidiger gemäß §§ 46 I OWiG, 147 StPO auch ein Anspruch auf Fertigung von Kopien der Akten zu.

Angesichts dessen, dass es sich bei der Tuff-Datei und dem Token um problemlos kopierbare elektronische Dateien handelt, besteht keine Veranlassung, den Verteidiger darauf zu beschränken, die Kopien selbst bei der weit von ihm entfernt sitzenden Verwaltungsbehörde zu fertigen. Allerdings kann von dem Verteidiger erwartet werden, dass er der Verwaltungsbehörde einen beschreibbaren elektronischen Datenträger (CD-ROM) zur Verfügung stellt, auf den die entsprechenden Daten kopiert werden.

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 62 II OWiG, 467 StPO.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht angreifbar.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Stefan Schubert, Trier, für die Zusendung die­ser Entscheidung.