Das LG Saarbrücken hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Die Klägerin ging mit ihrem angeleinten Hund auf einer Wiese spazieren. Dort befand sich auch der Beklagte mit seinen zwei unangeleinten Hunden. Als die Klägerin bemerkte, dass beide Hunde auf sie zuliefen, rief sie ihm zu, er möge die Hunde anleinen. Der Beklagte konnte nur einen der Hunde zurückrufen, der andere lief weiter auf die Klägerin zu und prallte gegen ihr Bein, wodurch dieses gebrochen wurde. Der Beklagte meint, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld seien gemäß § 254 BGB ausgeschlossen. Der Hund der Klägerin habe die Tiergefahr ausgelöst. Außerdem habe die Klägerin auf der Hundewiese mit freilaufenden Hunden rechnen müssen. Daher hätte sie ihren Hund von der Leine befreien müssen, um eine Unfallgefahr auszuschließen. Zudem habe sie kein der Witterung angepasstes Schuhwerk getragen. Das LG ging jedoch von einer 100 %-igen Haftung des Beklagten aus. Zwar könne grundsätzlich die vom eigenen Tier ausgehende Gefahr entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 S. 1 BGB sich anspruchsmindernd auswirken. Eine solche Gefahr habe sich jedoch nicht verwirklicht, da der sich ruhig verhaltende Hund der Klägerin keine eigene Energie aufgewendet habe (LG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2016 – 6 O 244/11).

1. Zwar besteht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i. V. m. einem Schutzgesetz, § 253 Abs. 2 BGB wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bzw. eines Schutzgesetzes. Allein der Umstand, dass der Beklagte seinen Hund auf freiem Gelände hat frei herumlaufen lassen, begründet kein Verschulden. Im Saarland gibt es keine grundsätzliche Leinenpflicht. Ein Ausnahmetatbestand ist nicht erkennbar, geschweige denn substantiiert aufgezeigt. Weitere Verschuldensumstände sind nicht erkennbar.

2. Der Klägerin steht indes gegen den Beklagten ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatz in Höhe von 20.000,– € und auf materiellen Schadenersatz in Höhe von insgesamt 31 .367,65 € aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung gemäß §§ 833 S. 1, 249 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB zu.

2.1. Der Anspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Gemäߧ 833 S. 1 BGB ist derjenige, der ein Tier hält, verpflichtet, einem Verletzten/Geschädigten den Schaden zu ersetzen , der dadurch entsteht, dass ein Tier den Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte ist Halter eines Husky/Shar-Pei/Rottweiler-Mischlings. Dadurch, dass dieser Hund gegen das Bein der Klägerin gestoßen und diese zu Fall gebracht hat, hat sich diese am Bein verletzt. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Zeugen J. und M. haben den seitens der Klägerin behaupteten Unfallverlauf übereinstimmend in seinem wesentlichen Kern bestätigt. Zudem steht auf der Grundlage der Gutachten Prof. Dr. K. und Prof. Dr. S. fest, dass die Kläger infolge des Anpralls des Beklagtenhundes gegen das linke klägerische Bein eine Unterschenkelfraktur links inkl. Schienbeinkopffraktur mit bedeutsamen Weichteilschaden erlitten hat.

Des Weiteren wurde die Körperverletzung der Klägerin durch die Realisierung der typischen Tiergefahr adäquat kausal verursacht. Eine typische Tiergefahr äußert sich nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl.: BGH, Urt. v. 31 .05.2016 – VI ZR 465/15 -, juris; mit zahlreichen weiteren Nachweisen) in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten. Diese hat sich vorliegend zweifelsfrei dadurch realisiert, dass der Hund des Beklagten auf die Klägerin zugestürmt, gegen diese gestoßen ist und sie umgerissen hat.

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden (§ 254 BGB analog) ist der Klägerin nicht zur Last zu legen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl.: BGH, Urt. v. 31. Mai 2016 – VI ZR 465/15- , zitiert nach juris, m. w. N.) muss sich der Geschädigte die Tiergefahr seines eigenen Tiers entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 S. 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 BGB anrechnen lassen, wenn für die Entstehung des Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tiers mitursächlich war. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tiers des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. Eine typische Tiergefahr äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tiers an dem Geschehen beteiligt ist. Letzteres war hier der Fall. Die Rolle des klägerischen Hundes beschränkte sich vorliegend allein darauf, ein an der Leine spazieren geführter Hund zu sein. Die seitens des Beklagten zitierte Rechtsprechung des OLG Köln (Urteil vom 13.08.2002 – , 9 U 185/00) bzw. des LG Köln (Urteil vom 24.01 .2008 – 37 0 61 0/07) vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Das OLG Köln hatte sich mit dem Verursachungs- und Verschuldensbeitrag eines Tierhalters, der seinen Hund an der Leine von einem Fahrrad “geführt” hatte, auseinander zu setzen. Das LG Köln beurteilte das Mitverschulden eines Tierhalters, der in den Kampfbereich zweier Hunde eingegriffen hatte.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusen­dung die­ser Entscheidung.