Simon Legner, Wikimedia Commons

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Der Kläger und die Beklagte haben sich mit ihren Fahrzeugen in einem Wendehammer befunden. In dem gesamten Bereich ist ein Halteverbot angeordnet. An den Wendehammer grenzt die Zufahrt zu einem Betriebsgelände bzw. Parkplatz. Der Kläger, der zu wenden beabsichtigte, lenkte sein Fahrzeug nach rechts, ohne den Blinker zu benutzen. Die Beklagte fuhr – ebenfalls ohne Blinker – mit ihrem Fahrzeug links an dem des Klägers vorbei, um in die Zufahrt zu gelangen. Dabei kam es zur seitlichen Kollision der Fahrzeuge. Das LG nimmt einen gegen den Kläger streitenden Anscheinsbeweis an. Der Anscheinsbeweis, der gegen denjenigen, der sein Fahrzeug wendet, spricht, gelte auch beim Wenden in einem Wendehammer, da auch hier ein typischer Geschehensablauf vorliege, der auf das Fehlverhalten des Wendenden hinweise. Eine Ausnahme könnte nur in einem geschlossenen Wendehammer gelten, der nur zum Wenden genutzt wird, nicht aber – wie hier – bei einem Wendehammer, der auch als Zufahrt zu einem Betriebsgelände dient. Doch auch der Beklagten sei ein Verschulden vorzuwerfen, da sie bei unklarer Verkehrslage überholt habe. Wird in einem Wendehammer, in dem nicht gehalten werden darf, ein Fahrzeug verlangsamt und nach rechts gefahren, müsse damit gerechnet werden, dass dieses wenden möchte. Dies führe zu der jeweils hälftigen Haftung beider Parteien (LG Mönchengladbach, Urteil vom 21.02.2017 – 5 S 49/16).

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach- Rheydt vom 26.07.2016 – Aktenzeichen 10 C 64/15 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 12,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2015 sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 78,90 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich in dem Bereich eines Wendehammers ereignete. In dem Wendehammer befindet sich ein Verkehrsschild, das für den gesamten Wendehammer- Bereich ein Halteverbot anordnet. An den Wendehammer grenzt eine Zufahrt an, die zu einer Parkfläche führt.

Am 26.11.2014 befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug der Marke Opel, Zafira, amtliches Kennzeichen …, die E. straße in Mönchengladbach in Richtung des dort befindlichen Wendehammers. Die Beklagte zu 1) befuhr mit dem vom Beklagten zu 2) gehaltenen und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Pkw der Marke Ford, Escort, amtliches Kennzeichen …, die E. straße hinter dem Kläger ebenfalls in Richtung Wendehammer.

Als beide Fahrzeuge in den Bereich des Wendehammers eingefahren waren, beabsichtigte der Kläger dort zu wenden. Hierzu lenkte er das Fahrzeug zunächst nach rechts. Eine Fahrtrichtung zeigt er nicht mittels Blinker an. Die Beklagte zu 1) fuhr mit ihrem Fahrzeug links an dem Fahrzeug des Klägers vorbei, um geradeaus auf eine angrenzende Parkfläche zu gelangen. Auch sie zeigte die Fahrtrichtung nicht mittels eines Blinkers an. Bei der Vorbeifahrt kam es zur Kollision zwischen den Fahrzeugen.

Der Kläger forderte die Beklagte zu 3) mit Schreiben vom 12.12.2014 zur Zahlung von 4.870,69 EUR auf. Mit Schreiben vom 13.01.2015 machte er gegenüber der Beklagten zu 3) ferner einen Nutzungsausfallschaden i.H.v 100,00 EUR sowie die Kosten für die Erstellung eines Fertigstellungsberichtes i.H.v. 71,10 EUR durch den Sachverständigen geltend. Zudem machte er vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 571,44 EUR geltend.

Die Beklagte zu 3) rechnete dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 27.02.2015 ab und zahlte an ihn unter Anrechnung eines Haftungsanteils von 50 % einen Betrag i.H.v. 1.658,05 EUR, wobei sie den Nutzungsausfall in die Berechnung mit einbezog und die allgemeine Kostenpauschale i.H.v. 25,00 EUR unberücksichtigt ließ. Von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zahlte sie 255,85 EUR an den Kläger und regulierte vollständig beim Sachverständigen die Kosten für das eingeholte Gutachten i.H.v. 814,79 EUR.

Nach Abschluss des Verfahrens in 1. Instanz zahlte der Kläger vollständig die angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger hat behauptet, es sei für die Beklagte zu 1) erkennbar gewesen, dass er nicht habe geradeaus zu den Parkplätzen weiterfahren wollen. Zudem sei für sie auch das absolute Halteverbot in dem Wendehammer erkennbar gewesen. Unmittelbar vor der Kollision habe er zudem das Fahrzeug der Beklagten zu 1) nicht sehen können.

Die Beklagten haben behauptet, der Kläger sei plötzlich nach links eingelegt und habe sein Fahrzeug beschleunigt. Zum Zeitpunkt der Kollision habe die Beklagte zu 1) das klägerische Fahrzeug bereits nahezu vollständig passiert.

Mit Urteil vom 26.07.2016 hat das Amtsgericht Mönchengladbach- Rheydt die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten i.H.v. 78,90 EUR freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hierbei ist das Amtsgericht von einer hälftigen Haftungsverteilung ausgegangen. Bei dieser Bewertung hat das Amtsgericht auf Klägerseite einen Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO sowie eine aufgrund des Wendevorgangs erhöhte Betriebsgefahr berücksichtigt. Demgegenüber hat es einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die Pflichten gemäß § 5 Abs. 3, 4a StVO sowie eine aufgrund des Überholvorgangs erhöhte Betriebsgefahr berücksichtigt.

Unter dem 22.08.2016 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach- Rheydt vom 26.07.2016 eingelegt und diese nach der Gewährung einer Fristverlängerung unter dem 20.10.2016 begründet

Er rügt, das Amtsgericht sei zu Unrecht von einem Anscheinsbeweis ausgegangen. Ferner sei davon auszugehen, dass sein Verschuldensbeitrag hinter dem der Beklagten zu 1) vollständig zurücktrete. Zudem sei die Erstellung eines Fertigstellungsberichtes durch den Sachverständigen erforderlich gewesen und die Geltendmachung des Nutzungsausfalls sei zu Recht erfolgt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.584,94 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.02.2015 zu zahlen sowie die Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 315,59 EUR zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 26.07.2016 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg.

Die geltend gemachte Kostenpauschale und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind teilweise erstattungsfähig.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen weiteren Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 12,50 EUR gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bzw. § 823 Abs. 1 BGB jeweils i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB. Der Anspruch auf die Zahlung der hälftigen Kostenpauschale ist nämlich nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen. Vielmehr hat die Beklagtenseite diese Position im Abrechnungsschreiben vom 27.02.2015 nicht berücksichtigt. Sie hat insgesamt 2.472,84 EUR geleistet. Demgegenüber hatte der Kläger eine berechtigte Forderung i.H.v. 2.485,34 EUR.

Der Kläger hat zudem gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 78,90 EUR, da er die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren nunmehr vollständig an seine Prozessbevollmächtigten gezahlt hat. Dies erfolgte unstreitig nach Abschluss der 1. Instanz. Vor diesem Hintergrund war dieser Umstand gemäß § 529 Abs. 1 S. 2 ZPO zu berücksichtigen.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von weiterem Schadensersatz, weil die vom Amtsgericht angenommene hälftige Haftungsverteilung nicht zu beanstanden ist und die insofern berechtigte Forderung i.H.v. 2.472,84 EUR gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen ist.

Im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG durch geführten Abwägung hat das Amtsgericht auf die zutreffenden Verursachungsbeiträge abgestellt und diese richtig gewichtet.

Auch die Kammer geht davon aus, dass gegen den Kläger ein Anscheinsbeweis spricht. Nach der Lebenserfahrung ist dann, wenn ein wendendes Kraftfahrzeug mit einem Fahrzeug des fließenden Verkehrs zusammenstößt, die Schlussfolgerung geboten, der Wendende habe sich nicht gemäß § 9 Abs. 5 StVO so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. In solchen Fällen liegt deshalb ein typischer Geschehensablauf vor, der auf ein Fehlverhalten des Wendenden als Unfallursache hinweist (BGH NJW-RR 1986, 384, Hentschel/ König/ Dauer, 43. Auflage, § 9 StVO, Rn. 50). Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger fuhr in den Wendehammer ein und setzte dazu an, mit seinem Fahrzeug zu wenden. Hierbei kam es dann zu einer seitlichen Kollision mit dem von der Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeug, weil diese zum Überholen an setzte, um geradeaus auf das Gelände der N… zu gelangen. Die Kammer sieht in der hier vorliegenden seitlichen Kollision zwischen einem wendenden und einem überholenden Fahrzeug die entscheidenden Anknüpfungstatsachen für die Annahme eines typischen Geschehensablaufes, der für ein Fehlverhalten des Klägers spricht. Gerade diese Unfallkonstellationen entstehen typischerweise, wenn der Fahrer des vorausfahrenden Pkws seine Pflichten gemäß § 9 StVG verletzt.

Die entgegenstehende Auffassung des Klägers, wonach bei dem vorliegenden Unfallort die Annahme eines Anscheinsbeweises gegen den Wendenden ausscheide, ist hingegen nicht zutreffend. Die von ihm zitierte Rechtsprechung (OLG Köln, Urteil vom 07.10.1998 – 13 U 76/98; OLG Celle, Beschluss vom 26.10.1977 – 3 Ss OWi 276/77), ist vorliegend nicht einschlägig. Der Unfall ereignete sich nämlich nicht in einem abgeschlossenen Wendehammer. Vielmehr ist am streitgegenständlichen Unfallort auch ein fließender Durchgangsverkehr verkehrsgerecht möglich. Die anschließende Zufahrt zu der Parkfläche ist ausweislich des Vorort angebrachten Schildes für Besucher und Betriebsangehörige der N… frei (Bl. 4 des schriftlichen Sachverständigengutachtens vom 21.04.2016). Wegen dieser Möglichkeit dient der Wendehammer nicht ausschließlich dem Wenden. Vielmehr dient er auch dem An- und Abfluss des Verkehrs vom und zum Grundstück der N….

Das Amtsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1) gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen hat, da sie bei einer unklaren Verkehrslage zum Überholen angesetzt hat. Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, wenn also die Verkehrslage unübersichtlich nicht zu beurteilen ist (Burmann/Heß/Hühnermann/Janker/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage, § 5 StVO, Rn. 26, m.w.N). Eine unklare Verkehrslage liegt noch nicht vor, wenn die Fahrweise auf ein bevorstehendes Linksabbiegen hindeutet, solange das linke Richtungszeichen fehlt und keine besonderen Umstände hinzutreten, weil dann das Abbiegen noch nicht unmittelbar bevorsteht (Burmann/Heß/Hühnermann/Janker/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage, § 5 StVO, Rn. 27, m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind hier indes gegeben. Es handelte sich bei der Unfallörtlichkeit um einen Wendehammer, in dem ein Halteverbot angeordnet ist. In Verbindung mit dem Herabsetzen der Geschwindigkeit durch den Kläger und einem Herüberziehen nach rechts, konnte nicht mit einem ungefährlichen Überholen gerechnet werden, da andererseits wegen des Halteverbotes ein Halten des unfallgegnerischen Fahrzeugs am rechten Rand des Wendehammers nicht zulässig war. Ein solches Halten am rechten Fahrbahnrand wäre jedoch erforderlich gewesen, um mit einem ungefährlichen Überholvorgang rechnen zu dürfen. Anderenfalls muss nämlich damit gerechnet werden, dass der Fahrer des vorausfahrenden Pkw ein solches Fahrmanöver einleitet, welches zumindest teilweise in die vom Überholenden vorgesehen Fahrspur hineinreicht. Eine solche Überschneidung der Fahrwege begründet wiederum die Gefahr einer Kollision, welche sich im vorliegenden Unfallgeschehen auch realisiert hat.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen anteiligen Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Kosten für die Einholung eines Fertigstellungsberichtes. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kosten für die Reparaturbestätigung nicht ersatzfähig sind, weil die Beklagtenseite eine entsprechende Bestätigung nicht angefordert hat (vgl.: Burmann/Heß/Hühnermann/Janker/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage, § 249 BGB, Rn. 156, m.w.N.). Auch die Kammer geht davon aus, dass die Einholung eines Fertigstellungsberichtes erst dann gerechtfertigt ist, wenn dessen Vorlage von den Unfallgegnern an gefordert wird.

Auf die von der Beklagtenseite aufgeworfene Frage, ob der Kläger vorliegend einen Nutzungsausfall für die Zeit der durchgeführten Reparatur fordern kann, kommt es abschließend nicht an, weil diese die Forderung anerkannt hat. Hieraus folgt ein Einwendungsausschluss auf Seiten der Beklagten. Dem Schuldner werden nicht nur Einreden, rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendungen, sondern auch jedes tatsächliche oder rechtliche Bestreiten der anspruchsbegründenden Tatsachen abgeschnitten (BeckOK BGB/ Gehrlein, BGB, § 781, Rn. 10). Die Beklagtenseite hat nämlich den geltend gemachten Nutzungsausfall ausdrücklich im Abrechnungsschreiben vom 27.02.2015 anteilig berücksichtigt und hierauf auch geleistet. Hierin ist ein Anerkenntnis zu sehen, zumal es sich um eine vorbehaltlose Zahlung handelte.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus den §§ 97, 92 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung, § 543 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.584,94 EUR festgesetzt.