Die Idee für die Überschrift stammt vom Kollegen Fritschi, der mir diesen Beschluss auch zugesandt hat. Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt hatte seine Akteneinsicht in einem Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes wieder (siehe auch hier und hier) stark eingeschränkt. Unter anderem fehlten die Messreihe, die Messstellenprotokolle, die Kalibrierfotos, die Wartungsunterlagen des Messgeräts sowie die Ausbildungsnachweise der Messbeamten. Auf seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das AG Eggenfelden die Herausgabe sämtlicher gewünschter Unterlagen angeordnet. Dies sei auf Grund des Gebots des fairen Verfahrens sowie des rechtlichen Gehörs notwendig. Denn bei einem – wie vorliegend – standardisierten Messverfahren könne der Betroffene erst nach Auswertung dieser Unterlagen mögliche Messfehler feststellen und dann substantiiert vortragen. Dazu könne er sich auch eines privat beauftragten Sachverständigen bedienen (AG Eggenfelden, Beschluss vom 10.08.2017 – 23 OWi 404 Js 21672/17).

In dem Bußgeldverfahren gegen

Verteidiger:
Rechtsanwalt Fritschi Jürgen, Leuchtenbergring 3, 81677 München

wegen OWi StVO

erlässt das Amtsgericht Eggenfelden durch die Richterin am Amtsgericht am 10. August 2017 folgenden

Beschluss

1. Die Zentrale Bußgeldstelle im bayerischen Polizeiverwaltungsamt wird angewiesen, der Verteidigung folgende Daten bzw. Unterlagen zur Verfügung zu stellen:

– die Rohmessdaten (Falldaten) der gegenständigen Messung in unverschlüsselter Form, die mit dem hier verwendeten Messgerät im Rahmen der Messreihe angefallen sind,
– die Messstellenprotokolle
– die Kalibrierfotos
– die sog. Lebensakte bzw. die Wartungs-, Instandhaltungs- und Eichnachweise des Messgerätes seit der ersten Inbetriebnahme, sofern eine sog. Lebensakte nicht geführt wird
– Ausbildungsnachweise des Messbeamten

2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers.

Gründe:

Dem Betroffenen liegt im zugrunde liegenden Bußgeldbescheid eine Verkehrsordnungswidrigkeit zur Last. Mit Schreiben vom 26.06.2017 beantragte der Verteidiger beim Bayerischen Verwaltungsamt Aktensicht in die Verfahrensakte und unter anderen in die Rohmessdaten der gegenständigen Messung, in die Lebensakte bzw. die Wartungs-, Instandhaltungs- und Eichnachweise des Messgerätes seit der ersten Inbetriebnahme, sofern eine sog. Lebensakte nicht geführt wird sowie in die Ausbildungsnachweise der Messbeamten. Mit Schreiben vom 11.07.2017 gewährte das Bayerische Verwaltungsamt Akteneinsicht und teilte ergänzend mit, dass Gerätestammkarten und Lehrgangs- bzw. Schulungsbescheinigungen des Messpersonals nicht Bestandteil der Ermittlungsakte sein und nur auf gerichtliche Anforderung vorgelegt werden. Dagegen wendet sich die Verteidigung und beantragte mit Schreiben vom 17.07.2017 gerichtliche Entscheidung.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Betroffenen hat entsprechend § 46 OWiG i.V.m. 147 StPO das Recht auf Einsicht bzw. Herausgabe der beantragten Daten bzw. Unterlagen, da andernfalls dessen Recht auf rechtliches Gehör verletzt werden würde, da es sich vorliegend um ein standardisiertes Messverfahren handelt und der Betroffene deshalb konkrete Einwendungen gegen Messung vorzubringen hat, wozu er jedoch durch nur dann in der Lage ist, wenn eine Auswertung der Daten und Unterlagen ggf. auch unter Zuhilfenahme eines von ihm beauftragten Sachverständigen erfolgen kann. Im Übrigen gebietet auch das Recht des fairen Verfahrens die Herausgabe bzw. Einsicht in die entsprechenden Daten bzw. Unterlagen.

2. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 467 StPO.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Jürgen Fritschi, München, für die Zusendung die­ser Entscheidung.