Der Betroffene hielt an einem beschrankten Bahnübergang bei geschlossenen Schranken und rotem Blinklicht. Als die Schranken sich zu öffnen begannen, überquerte der Betroffene den Bahnübergang, obwohl das Blinklicht noch nicht erloschen war. Während das AG den Betroffenen zu einer Geldbuße von 240,00 € und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilte, reduzierte das OLG Naumburg die Geldbuße auf 80,00 € und ließ das Fahrverbot entfallen, da weder eine abstrakte noch eine konkrete Gefahr vorgelegen haben (OLG Naumburg, Beschluss vom 21.03.2017 – 2 Ws 6/17).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 3. November 2016 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass

– der Betroffene zur Geldbuße von 80,00 € verurteilt wird und

– das Fahrverbot entfällt.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Der Betroffene trägt die Hälfte der Kosten der Rechtsbeschwerde, die Staatskasse trägt die Hälfte der Kosten der Rechtsbeschwerde und die Hälfte der dem Betroffenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen “fahrlässigen Verstoßes beim Überqueren eines Bahnübergangs” zur Geldbuße von 240,00 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Es hat festgestellt: der Betroffene überquerte am … um … Uhr in W., P. Straße, als Führer eines Pkw … den Bahnübergang unter Verstoß gegen die Wartepflicht, obwohl rotes Blinklicht gegeben wurde. Es handelte sich um einen beschrankten Bahnübergang, der Betroffene hatte zunächst vor der geschlossenen Schranke angehalten. Nach Passieren des Zuges und nachdem die Schranken begonnen hatten, sich zu öffnen, passierte der Betroffene den Bahnübergang, obwohl sich die Schranken noch nicht vollständig geöffnet hatten und das Rotlicht noch leuchtete und blinkte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er seinen Freispruch anstrebt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung des Rechtsmittels beantragt.

II.

Das Rechtsmittel erzielt hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen durchgreifenden Erfolg, im Hinblick auf den Schuldspruch ist es unbegründet i. S. d. § 349 Abs. 2 StPO.

Die Feststellungen belegen, dass der Betroffenen unter Verstoß gegen seine Wartepflicht den Bahnübergang überquert hat, obgleich noch rotes Blinklicht gegeben wurde (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 StVO). Dass die Schranken sich gleichzeitig weder senkten noch geschlossen waren, sondern bereits öffneten, ändert an diesem Verstoß nichts. Indes rechtfertigen die Feststellungen weder die Verhängung der Geldbuße von 240,00 €, noch die Verhängung eines Fahrverbots.

Zwar sind diese Sanktionen im Regelfall nach § 4 BKatV, Nr. 83b.2 BKatV vorgesehen. Ein Regelfall liegt indes weder hinsichtlich der Bußgeldhöhe noch hinsichtlich des Fahrverbotes vor.

Nach § 1 Abs. 2 BKatV sind die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge Regelsätze, sie gehen von gewöhnlichen Tatumständen aus. Solche liegen nicht vor, vielmehr hat das Verhalten des Betroffenen nicht zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt, wie es in der Regel bei Verstößen gegen § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVO der Fall ist.

Die Schranken am Bahnübergang beginnen sich erst zu öffnen, wenn in absehbarer Zeit kein weiterer Zug durchfährt. Das gilt auch, wenn das rote Blinklicht (planwidrig?) noch nicht erloschen ist. Der Fall liegt insoweit anders als in der Konstellation, dass beim unbeschrankten Bahnübergang das Blinklicht leuchtet und der Verkehrsteilnehmer sich aus seiner Sicht zutreffend davon überzeugt hat, dass sich kein Schienenverkehr nähert. In diesen Fällen ist ein Irrtum seinerseits nie auszuschließen, weshalb ein Verstoß gegen die Haltepflicht unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung stets eine jedenfalls abstrakte Gefahr einer Kollision mit dem Schienenverkehr begründet. Mit Beginn der Schrankenöffnung besteht dagegen auch die abstrakte Gefahr einer Kollision nicht mehr.

Der Senat hat in der Sache durchentschieden. Er erachtet die Verhängung einer Geldbuße von 80,00 €, die im Bußgeldkatalog für den Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 StVO vorgesehen ist, als angemessen.

Ein Fahrverbot kommt hier nicht in Betracht. Nach § 25 Abs. 1 StVG kann ein solches nur verhängt werden, wenn der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Beharrlichkeit scheidet hier aus, eine grobe Pflichtwidrigkeit erfordert unter anderem objektiv die besondere Gefährlichkeit des Verstoßes (Erfolgsunwert). Das Überqueren des Bahnübergangs während der Öffnung der Schranken führt nicht zu einer abstrakten, geschweige denn zu einer konkreten Gefahr.