In diesem Verfahren nach § 62 OWiG ging es mal wieder u. a. um die Herausgabe der kompletten Messreihe einer Geschwindigkeitsmessung. Dabei führte der Verteidiger an, gerade bei Annahme eines standardisierten Messverfahrens diese Daten zu benötigen, um Messfehler zu konkretisieren. Dagegen sieht das über den Antrag entscheidende das AG Aalen die Messreihe nicht als Aktenbestandteil an. Dass die Unterlagen zur Prüfung auf Messfehler benötigt werden, spiele keine Rolle – erst nach Vortrag der Messfehler seien die Unterlagen beizuziehen. Der Betroffene befindet sich also wieder im Teufelskreis. Auch die verkehrsrechtliche Anordnung sei nicht durch die Bußgeldstelle zu übermitteln; stattdessen habe der Verteidiger sich dafür an die Straßenverkehrsbehörde zu wenden (AG Aalen, Beschluss vom 24.08.2017 – 12 OWi 204/17).

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Verteidigers vom 24.07.2017 auf Herausgabe der dem Bußgeldverfahren zugrunde liegenden Messserie und der verkehrsrechtlichen Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung wird zurückgewiesen.

2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Nach Anhörung des Betroffenen wurde mir Bußgeldbescheid vom 03.07.2017 gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 120,00 € wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften verhängt. Gemessen wurden nach Toleranzabzug 82 km/h, zulässig waren 50 km/h.

Hiergegen legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 06.07.2017 Einspruch ein. Im Einspruchschreiben (Bl. 16. d.A.) wurde Akteneinsicht beantragt und Übersendung der Messdatei im Originalformat, des Datensatzes der Messreihe, der Lebensakte des Messgeräts, der Originallichtbiider und der verkehrsrechtlichen Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung.

Die Bußgeldstelle antwortete mit Schreiben vom 19.07.2017, dass die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit sei und bot unter Nennung von Namen und Telefonnummer ein Gespräch mit dem Geschäftsbereich Straßenverkehr an. Die Originalichtbiider wurden mittels FTAPI übermittelt. Hierin kann die konkludente Ablehnung der Herausgabe von bzw. Gewährung von Einsicht in weiterer Unterlagen gesehen werden.

Mit Schreiben vom 24.07.2017 beantragt der Verteidiger gerichtliche Entscheidung. Er führt im Wesentlichen an, ohne die Herausgabe der Messserie und der verkehrsrechtlichen Anordnung seien die Grundsätze des fairen Verfahrens und rechtlichen Gehörs verletzt. Der Betroffene müsse Beweisanträge und Beweisanregungen für die bevorstehende Hauptverhandlung vorbereiten können. Das Recht auf Akteneinsicht umfasse auch Einsicht in die genannten Daten. Damit ein Messfehler konkretisiert werden könne, müssten dem Betroffenen gerade auch bei einem standardisierten Messverfahren aus Gründen der Waffengleichheit die Rohmessdaten, die auch dem Ankläger zur Verfügung stehen, zur Verfügung gestellt werden. Die verkehrsrechtliche Anordnung sei deshalb herauszugeben, weil bei Nichtigkeit des Verkehrszeichen dieses nicht beachtlich sei.

Die Bußgeldbehörde hat die Akte zur Entscheidung dem Gericht vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die Bußgeldbehörde ist nicht anzuweisen, die Messserie und die verkehrsrechtliche Anordnung herauszugeben, da das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung die Einsicht in diese Unterlagen nicht umfasst.

1. Das Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO iVm 46 OwiG umfasst lediglich die Akten, „die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären”. Die Messserie mitsamt der von der Verteidigung genannten Details gehört nicht hierzu. Die Fotoliniendokumentation ist lediglich bei mobilen Geschwindigkeitsmessanlagen üblicherweise Teil der Akte. Aus der Akte ist vorliegend jedoch ersichtlich, dass es sich vorliegend um eine stationäre Geschwindigkeitsmessanlage handelt (Bl. 5 d. A.). Schuldspruch und Rechtsfolgen werden regelmäßig auch nicht auf die verlangten Informationen oder Unterlagen gestützt. Soweit Schuldspruch und Rechtsfolgen auf ein Gutachten gestützt werden, für dessen Erstellung diese Unterlagen herangezogen wurden, so ändert dies nichts daran, dass das Beweismittel das Gutachten selbst ist und nicht die dem Gutachten zugrundeliegenden Unterlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.1995, Az. StR 355/94). Bei dem Verlangen in die gesamte Messserie Einsicht zu erhalten, handelt es sich um einen Beweisermittlungsantrag ohne dass der Bezug zum konkreten Fall erkennbar wäre (AG Detmold, Beschluss vom 04.02.2012, Az. 4 OWI 989/11; AG Nördlingen, Beschluss vom 08.09.2016, Az. 4 Owi 99/16). Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung werden gerade nicht genannt, sondern angegeben, die Unterlagen würden gerade zur Prüfung ob solche Zweifel bestünden benötigt. Die Zweifel müssen sich jedoch aus dem konkreten Fall bereits ergeben (vgl. ebd.).

2. Die verkehrsrechtliche Anordnung ist vorliegend bereits deshalb nicht durch die Bußgeldstelle zu übermitteln, da es dem Verteidiger zuzumuten ist, mit dem von der Bußgeldstelle im Schreiben vom 19.07.2017 benannten Herrn L. unter der ebenfalls angegebenen Telefonnummer in Kontakt zu treten, um auf diese Weise die verwaltungsrechtlichen Fragen der Anordnung Geschwindigkeitsbegrenzung zu klären. Im Übrigen ist auch die verkehrsrechtliche Anordnung regelmäßig kein Aktenbestandteil und daher auch nicht vom Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO iVm 46 OwiG erfasst (vgl.o.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 3.2 OwiG i.V.m. § 473 Abs. 2 8.1 StPO.

IV.

Dieser Beschluss ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 3 nicht anfechtbar.

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Günter Grüne, Schweinfurt, für die Übersendung dieser Entscheidung.