Die zweite Entscheidung zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren in dieser Woche stammt ebenfalls von dem Kollegen Rahe und ist ebenfalls in einem Verfahren ergangen, dem eine PoliScan-Speed-Messung zugrunde liegt. Trotz ähnlichem Sachverhalt gelangt das AG Bayreuth zum gegenteiligen Ergebnis wie das AG Stadtroda in der gestern veröffentlichten Entscheidung und gibt dem Polizeiverwaltungsamt auf, die Falldatensätze der Messreihe, Token-Datei, Passwort, Statistikdatei, Case-List sowie eine Auflistung der Wartungsarbeiten am Messgerät (Gerätestammkarte) an den Verteidiger herauszugeben, also alle Unterlagen, die für eine möglichst genaue, private Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung benötigt werden. Zur Begründung bezieht es sich auf einen Beschluss des OLG Naumburg aus 2012, in dem dieses ein Recht des Verteidigers auf Erhalt der Bedienungsanleitung des verwendeten Messgeräts anerkannt hat und argumentiert ebenso wie das OLG Naumburg mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens, der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit. Einsicht in Messunterlagen funktioniert also auch in Bayern – manchmal.

AG Bayreuth, Beschluss vom 14.11.2017 – 2 OWi 228/17

In dem Bußgeldverfahren gegen

Verteidiger: Rechtsanwalt Rahe Dirk, Lahnsteiner Straße 7, 07629 Hermsdorf, Gz.: …

wegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung

erlässt das Amtsgericht Bayreuth durch den Richter am Amtsgericht … am 14. November 2017 folgenden

Beschluss

1. Dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt – Zentrale VOWi-Stelle – wird aufgegeben, dem Betroffenen über seinen Verteidiger Akteneinsicht in folgende Unterlagen zu gewähren:

Stammkarte des Messgeräts

Statistikdatei und Case-List

Tokendatei und Passwort

Digitale Falldatensätze der gegenständlichen Messreihe

2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung einschließlich der diesbezüglichen notwendigen Auslagendes Betroffenen.

Gründe:

Der Verteidiger hat im Rahmen eines Bußgeldverfahrens, das eine Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand hat, das Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden. Das folgt aus dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines fairen Verfahrens (Art. 6 EMRK), der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit (OLG Naumburg, Beschl. v. 05.11.2012 – 2 Ss (Bz) 100/12).

Vielen Dank an Herrn Rechtsanwalt Dirk Rahe, Sozietät Dr. Zwanziger & Collegen, Gera / Hermsdorf, für die Zusendung dieser Entscheidung.