Die heutige Entscheidung befasst sich mit dem Messgerät TraffiStar S 350. Dieses steht in der Kritik, weil es nach Errechnung eines Geschwindigkeitswerts die zugrunde liegenden Rohmessdaten bzw. Zusatzdaten nicht abspeichert und diese für eine nachträgliche Überprüfung nicht zur Verfügung stehen. Mehrere Amtsgerichte, u. a. das AG Neunkirchen, haben aus diesem Grund Betroffene freigesprochen, da diese bei Annahme eines standardisierten Messverfahrens der Obliegenheit, Anhaltspunkte für Messfehler vorzutragen, denknotwendig nicht nachkommen könnten. Das AG Neuruppin sieht dies anders. Der Gerätetyp sei seitens der PTB “durch Baumusterprüfbescheinigung zugelassen worden”. Eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle sei durch die Möglichkeit einer Befundprüfung gegeben.

AG Neuruppin, Urteil vom 05.07.2017 – 82.1 OWi 223/17

Gegen den Betroffenen wird wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb der geschlossenen Ortschaft um 21 km/h

eine Geldbuße in Höhe von 80,00 Euro

festgesetzt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

G r ü n d e :

I

Im Verkehrszentralregister vom 11.05. 2017, welcher durch Verlesung zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden ist, ist für den … Betroffenen keine vorwerfbare Eintragung vorhanden.

II

Am 27.08.2016 befuhr der Betroffene gegen … Uhr mit einem PKW (amtl. Kennzeichen … ) die Bundesstraße B189 in Heiligengrabe in Richtung Pritzwalk. Die Höchstgeschwindigkeit ist hier innerorts durch das Ortseingangsschild (VZ 310) auf 50 km/h festgesetzt. Die Beschilderung ist einseitig erfolgt und befindet sich 263 m vor der Messstelle. Der Betroffene überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 21 km/h. Die festgestellte Geschwindigkeit betrug 74 km/h, abzüglich der Toleranz von 3 km/h somit 71 km/h.

Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte ausweislich des beim Vorgang der Verwaltungsbehörde befindlichen Messprotokolls vom 27.08.2016 (Bl. 1 d. VA.) mit der stationären Laserscanner-Geschwindigkeitsmessanlage Typ ” TraffiStar S 350 ” des Herstellers JENOPTIK Robot GmbH in 40789 Mohnheim am Rhein. Aus den vorliegenden Eichunterlagen (Bl. 4/4R d. VA) ergibt sich, dass das amtlich zugelassene Messgerät zum Tatzeitpunkt gültig geeicht war. Vorliegend handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, das dem Gericht aus einer Vielzahl von Parallelverfahren und in diesen eingeholten Sachverständigengutachten als zuverlässig arbeitend bekannt ist. Die Messstelle wurde von dem Zeugen … am 26.08.2016 laut Messprotokoll, welches wörtlich verlesen worden ist in der Beweisaufnahme, entsprechend der Bedienungsanleitung, nach Kontrollen der Eichmarke eingerichtet und sowohl die Kamera ausgerichtet sowie die Kontrollen der Verkehrsschilder vorgenommen. Dieser ist laut Zertifikat vom 21.01.2016 (Bl. 6 d. VA.) befähigt das Messsystem zu bedienen und auszuwerten und ist dem Gericht auch bereits aus zahlreichen Gerichtsverfahren als äußerst zuverlässig arbeitender und erfahrener Messbeamter bekannt. Nach Beendigung der Messungen am 29.08.2016 hat der Zeuge … diese Kontrollen ebenfalls vorgenommen. Die Auswertung dieses Messfilms ist laut Protokoll ebenfalls durch den Zeugen … und den Zeugen … erfolgt. Auch der Zeuge … ist qualifiziert die Messanlage zu bedienen und auszuwerten laut Zertifikat vom 21.01.2016 (Bl. 7 VA).

III

Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Einlassungen des Verteidigers. Der Verteidiger hat die Fahrereigenschaft des Betroffenen ausdrücklich eingeräumt. Die tatsächlichen Feststellungen zur begangenen Ordnungswidrigkeit beruhen auf den in der Akte befindlichen Beweismitteln, welche sämtlich durch Verlesung bzw. durch Inaugenscheinnahme zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden sind. So insbesondere durch die Verlesung des Messprotokolls, des Eichscheins, des Ausbildungsnachweises des Messbeamten, des Wartungsprotokolls B1.5 d. VA., der Beschilderungsanordnung Bl. 2/5 d.VA sowie die Inaugenscheinnahme der Messfotos (Bl. 8-10 d. VA).

Zur Überzeugung des Gericht hat das Messgerät ordnungsgemäß gearbeitet und das Messergebnis ist ordnungsgemäß und verwertbar zustande gekommen. Auch die Auswertung der Daten ist vorschriftsmäßig gem. Ziffer 9.1 der Bedienungsanleitung erfolgt. So ist die Markierung vollständig in dem Verstoßfoto sichtbar und wird nicht an einem der Räder abgeschnitten (BI. 8-10 d. VA). Der untere Rand der Markierung liegt im Bild unterhalb der Radaufstandpunkte. Teile der Fahrzeugfront liegen im markierten Bereich und innerhalb der Markierung befindet sich kein anderes Fahrzeug derselben Verkehrsrichtung. Das Foto auf Bl. 8. VA enthält deutlich sichtbar die digitale Signatur (das Schlosssymbol) als Zeichen dafür, dass die Anforderungen hinsichtlich der Datenintegrität erfüllt sind und das Foto ausgewertet werden darf (Ziffer 9.4 der Bedienungsanleitung). Im Übrigen hat der Verteidiger keine konkreten Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung im vorliegenden Fall behauptet und dem Gericht waren solche auch nicht erkennbar. Soweit der Verteidiger Bedenken dahingehend äußerte, als dass die Entfernung des Zeitstempels im Messgerät durch den Hersteller eine Nachprüfung der konkreten Messwertbildung unmöglich macht und daraus ableiten will, dass damit kein standardisiertes Messverfahren mehr angenommen werden kann, unter Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts Stralsund, konnte das Gericht dieser Auffassung nicht folgen.

Mit der Zulassung eines Gerätes für Messverfahren bringt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) im Sinne eines Behördengutachtens zum Ausdruck, dass das Gerät derart vereinheitlicht ausgelegt ist, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Messergebnisse erzielt werden (standardisiertes Messverfahren). Ist ein Gerät auf diese Weise zugelassen, ist das Tatgericht grundsätzlich weiteren Prüfungen enthoben, sofern nicht im Einzelfall konkrete Zweifel am konkreten Messergebnis bestehen.

Vorliegend ist das Messgerät Typ TraffiStar S 350 von der PTB durch Baumusterprüfbescheinigung zugelassen worden (was auch unbestritten blieb) und war am Tattag gültig geeicht. Dem Gericht ist durch bereits eingeholte Gutachten bekannt, dass die Feststellung zutreffend ist, dass durch den Hersteller der sogenannte Zeitstempel entfernt worden ist, so dass die Durchschnittsgeschwindigkeit quantitativ nicht überprüft werden kann. Da die im Messgerät derzeit installierte Softwareversion jedoch in den Zusatzdaten keine Angaben mehr für die benötigte Zeit zu der Durchfahrtsstrecke innerhalb des Messfeldes hinterlegt ist wäre auch mit dem entfernten Zeitstempel eine unabhängige Richtigkeitsprüfung der Messwertbildung nicht ohne weiteres möglich. Eine tatsächliche nachträgliche Richtigkeitskontrolle des ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeitswertes, die auf vom Messgerät unabhängigen Daten basiert, ist nach den gesetzlichen Regelungen im Eichrecht nur über die Möglichkeit einer sogenannten Befundprüfung durch die zuständige Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle gegeben.

Darauf kommt es aber vorliegend zur Überzeugung des Gerichts nicht an, da ein konkreter Hinweis auf mögliche Unregelmäßigkeiten weder von der Verteidigung behauptet worden ist noch für das Gericht erkennbar geworden ist. Das Messgerät ist auch entsprechend der Richtlinien der PTB sowie der gültigen Gebrauchsanweisung des Herstellers durch geschultes Personal bedient und ausgewertet worden, wie oben bereits erörtert. Damit ist vorliegend von einem standardisierten Messverfahren auszugeben. Der Umstand, dass die durch das Gerät erfolgte Messwertbildung einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle nicht ohne weiteres zugänglich ist schließt die Annahme eines standardisierten Messverfahren nicht aus (BGH NJW 1998, 321; OLG Hamm 29.01.2013 und 21.02.2014; OLG Schleswig 11.12.2016 sämtlich recherchiert bei juris). Die Behauptungen sind ins Blaue hinein erfolgt und haben daher das Gericht nicht veranlasst bei diesem standardisierten Messverfahren eine weitere Beweiserhebung durchzuführen. Der dahingehende Beweisantrag war daher zurückzuweisen, da eine weitere Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts zur Wahrheitserforschung nach bereits erfolgter Beweisaufnahme nicht erforderlich ist (§ 77 Abs. 2 OWiG).

IV

Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit. Der Betroffene überschritt innerhalb der Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 21 km/h. (§§ 41(2), 49 StVO, 24 StVG). Hierbei ist das Gericht noch von einer fahrlässigen Begehungsweise ausgegangen. Der Betroffene hat jedenfalls wegen nicht ausreichender Aufmerksamkeit seine Geschwindigkeit nicht in der gebotenen Art und Weise an die zulässige Höchstgeschwindigkeit angepasst.

V

Das Gericht hält eine Geldbuße in Höhe der Regelbuße von 80,00 Euro für geboten und erforderlich, um die Verkehrsordnungswidrigkeit zu ahnden.

VI

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46(1) OWiG, 465(1) StPO

Angewendete Vorschriften:
§ 24 StVG StVG
§§ 41 Abs. 2 Nr. 7(Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO
§ 1 Abs. 1, BKatV i.V.m Nr. 11.3. Bkat i.V.m. Nr. 11.3.4 der Tab. 1 Buchst. c) des Anhangs zur Nr. 11 BKat