Der Beschluss des OLG Zweibrücken befasst sich mit der Aufklärungspflicht des Bußgeldgerichts im Zusammenhang mit digitalen Messdaten bei einem standardisierten Messverfahren. Die Berücksichtigung von Rohmessdaten außerhalb des Messbereichs bei Geräten vom Typ PoliScan Speed soll die Zuverlässigkeit der standardisierten Messung nicht in Frage stellen. Zudem sei die Behauptung, aus der unterlassenen Beweiserhebung hätte sich ergeben können, dass Messdaten außerhalb des Bereichs von 50 – 20 Metern berücksichtigt worden sind, nicht bestimmt genug. Ferner verhalf auch die Rüge der Nichtüberlassung von nicht bei der Akte befindlichen Messdaten an die Verteidigung der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg: Eine Gehörsverletzung sei darin grundsätzlich nicht zu sehen; eine Rüge der Verletzung des fairen Verfahrens erfordere Vortrag dazu, dass die Verteidigung sich bei der Bußgeldbehörde um die Herausgabe der Daten bemüht hat. Ein Zeitablauf zwischen Tat und erstinstanzlicher Verurteilung von 16 Monaten müsse das Amtsgericht noch nicht veranlassen, das Entfallen eines Fahrverbots zu prüfen.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15.11.2017 – 1 OWi 2 SsBs 52/17

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 6. März 2017 wird kostenfällig als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung und der Gegenerklärung des Verteidigers vom 14. Juli 2017 keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben hat (§§ 79 Abs. 3, 46 Abs. 1 OWiG, 349 Abs. 2, 473 Abs. 1 StPO).

Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 22. Juni 2017 bemerkt der Senat:

Die Rechtsbeschwerde gibt dem Senat keinen Anlass davon abzurücken, dass es sich bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Vitronic PoliScan Speed um die Anwendung eines standardisierten Messverfahrens handelt (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 27.01.2017, 1 Ss Bs 53/16 und vom 21.04.2017 – 1 OWi 2 Ss Bs 18/17 sowie OLG Bamberg, Beschluss vom 24.07.2017, 3 Ss OWi 976/17; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017, 1 Ss <OWi> 115/17; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.05.2017, 2 Rb 8 Ss 246/17; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21.04.2017 – Ss RS 13/2017 <26/17 OWi>, alle zit. nach juris).

Die Rüge, die Bußgeldrichterin habe den auf Beiziehung und Inaugenscheinnahme der sog. XML-Datei für die verfahrensgegenständliche Messung gerichteten Beweisermittlungsantrag verfahrensfehlerhaft übergangen, ist bereits nicht formgerecht erhoben (§ 349 Abs. 2 S. 2 StPO).

Die fehlerhafte Ablehnung eines solchen Antrages kann nur mit der Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens geltend gemacht werden. Hierzu hätte es jedoch Vortrag zu der Frage bedurft, welche Tatsachen das Gericht dazu hätten drängen sollen, eine solche Beweiserhebung durchzuführen. Die schlichte Behauptung, aus den Rohmessdaten könnten sich Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung gewinnen lassen, genügt mit Blick auf die Standardisierung des Messverfahrens dafür nicht aus. Die behauptete Möglichkeit, dass Rohmessdaten unabhängig von ihren Ortskoordinaten für die Bildung des geeichten Messwerts berücksichtigt worden sein könnten, stellt die Zuverlässigkeit der standardisierten Messung nicht erheblich in Frage (Senat, Beschluss vom 21.04.2017 – 1 OWi 2 Ss Bs 18/17). Ob die in der Hauptverhandlung insoweit gestellten Anträge darüber hinausreichende Konkretisierungen enthalten, kann der Senat nicht nachprüfen, weil die Rechtsbeschwerde deren Inhalt nur ganz kursorisch mitteilt. Letztlich fehlt es auch an der Angabe einer bestimmten und eindeutigen Tatsachenbehauptung; die Behauptung, die unterlassene Beweiserhebung hätte ergeben „können“, dass Messwerte außerhalb eines Bereichs von 50 – 20 m gewonnen wurden, beinhaltet eine solche bestimmte Beweisbehauptung nicht (vgl. insoweit Trüg/Habetha in MünchKomm-StPO, § 244 Rn. 387 m.w.N.). Der diesbezügliche Vortrag der Rechtsbeschwerde ist zudem widersprüchlich. Die Behauptung, eine Entscheidung über den Beweisermittlungsantrag sei „von Seiten des Gerichts nicht getroffen worden“ (S. 3, 3. Abs. der Rechtsbeschwerdebegründung vom 15.05.2017) steht mit der auf S. 8, 4. Abs. der Rechtsbeschwerdebegründung enthaltenen Angabe, der „Beweisantrag auf Inaugenscheinnahme“ sei abgelehnt worden, weil die Betroffene keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlmessung habe benennen können in einem nicht aufgelösten Widerspruch.

Durch die bloße Nichtüberlassung der nicht zur Bußgeldakte gelangten Rohmessdaten einer standardisierten Messung wird der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht beeinträchtigt (OLG Bamberg, Beschluss vom 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16, StraFo 2016, 461). Soweit die Rechtsbeschwerde inzident rügt, es widerspreche den Grundsätzen des fairen Verfahrens, wenn der Betroffenen nicht die Möglichkeit eingeräumt werde, die Rohdaten auf Anhaltspunkte für einen Messfehler zu überprüfen, fehlt es bereits an der Behauptung, dass sie sich um eine Herausgabe dieser Daten von der Bußgeldbehörde bemüht hat.

Die Behauptung, die Angaben des Zeugen D. zur Einrichtung des Messgeräts stünden im Widerspruch zu den Vorgaben der Bedienungsanleitung, sind urteilsfremd und im Rahmen der Sachrüge unbeachtlich; eine diesbezügliche Verfahrensrüge ist nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechend erhoben.

Das Amtsgericht war nicht veranlasst, sich im Hinblick auf den zwischen der Tat und der Verurteilung vergangenen Zeitablaufs von ca. 16 Monaten zu einem Entfall des Fahrverbots zu verhalten. Die Zeit des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist in die Prüfung, ob wegen des Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen ist, nicht einzubeziehen (vgl. Senat, Beschluss vom 13.11.2017 – 2 Ss Bs 48/17, unter Aufgabe von 1 Ss Bs 24/11). Eine kompensationsbedürftige Verfahrensverzögerung im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht eingetreten.